Musik aus einem fremden Land

Current 93-Gründer David Tibet gilt seit jeher zu den innigsten Bewunderern des makabren Prosawerkes von Thomas Ligotti. Ihre Zusammenarbeit "In A Foreign Town, In A Foreign Land" erschien vor Jahren als limitiertes Hardcover-Buch mit Begleitmusik auf CD - nun wird das Werk umgekehrt als CD mit dazugehörigem Booklet wiederveröffentlicht. Als Draufgabe spielt übrigens noch der deutsche Minimal-Elektroniker Christoph Heemann mit.

Current 93 traten zum ersten Mal im Jahr 1983 in Erscheinung. Ihr Gründer David Tibet hatte zuvor bei den Industrial-Pionieren Psychic TV und 23 Skidoo gespielt, bevor er seine eigene Band ins Leben rief. Ziel seiner ersten musikalischen Solo-Veröffentlichungen war es laut eigenen Angaben, beim Hörer ein Gefühl von Verunsicherung und Unwohlsein hervorzurufen.

Titel wie "Dogs Blood Rising", "The Mystical Body of Christ in Chorazaim" oder "No Hiding From The Blackbird" unterstrichen den religiös-rituellen Aspekt der Arbeit von Current 93. Deren Philosophie setzte sich zusammen aus einer bitteren Enttäuschung vom Christentum (samt gewünschter Exkommunizierung des Papstes in einem ihrer frühen Pamphlete), den Schriften des dekadent-surrealistischen Literaten Comte de Lautreamont („Die Gesänge des Maldoror“) und einer Verehrung der Lehren des britischen Schwarzmagiers Aleister Crowley.

Als Tibet dann Jahre später zum Buddhismus wechselte, änderte sich die Musik seiner Band radikal. Aus den düsteren Geräuschcollagen wurde fröhlicher Neo-Folk in bester englischer Tradition, erinnernd an legendäre Acts wie The Incredible String Band oder die einzigartige Shirley Collins. In der darauffolgenden Zeit konnte die Band so unterschiedliche Leute wie Björk, Nick Cave oder auch Coil zur Zusammenarbeit bewegen und fand endgültig ihren eigenen Stil. Heute pendelt ihr Sound immer wieder zwischen schönen Popsongs und atmosphärischen Klanggebilden, die ein wenig an die Anfänge ihrer Karriere erinnern.

Der deutsche Avantgarde-Pionier Christoph Heemann gehört schon lange zum Freundeskreis von David Tibet. In den Achtzigern machte er mit seinem von deutschem Humor geprägten Ensemble "Hirsche Nicht Aufs Sofa" auf sich aufmerksam und unterhielt die Musikwelt mit Plattentiteln wie "Im Schatten der Möhre" oder "Küttel im Frost". Nach Auflösung der Band begab sich Heemann auf Solo-Pfade und bringt seither eher eintönige, höhepunktlose Instrumental-Stücke auf den Markt. Leider dürfte sein Einfluß auf das vorliegende Current 93-Album eher groß gewesen sein.

Thomas Ligotti schrieb eigens für diese Zusammenarbeit eine kleine phantastische Novellen-Sammlung, zu der die Musik ursprünglich als Soundtrack gedacht war. Und als solcher funktioniert sie auch - die langen, ruhigen Stücke stören beim Lesen nicht, sondern unterstreichen durchaus die makabre Atmosphäre des Prosatextes. Als eigenständige CD, der die Story nun nur mehr als dickes Booklet beigelegt wird, kann "In A Foreign Town, In A Foreign Land" aber nicht bestechen. Zu eintönig geht es dabei zur Sache, als daß die Aufmerksamkeit des Hörers lange aufrechterhalten werden könnte.

Als Einstieg in die Musik von Current 93 eignet sich das Album somit wenig; Fans und Sammler der Band werden wohl zum Großteil im Besitz der Erstauflage mit Buch sein. Wozu dann also diese neue Ausgabe? Wahrscheinlich braucht Meister Tibet wieder Geld, um ein neues Gemälde seines Lieblingsmalers Louis Wain anzukaufen. Die Alben "Thunder Perfect Mind", "All The Pretty Little Horses" oder "Soft Black Stars" eignen sich auf jeden Fall besser.

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Großer Künstler
(skullline, 24.10.2005 08:41)