Von Apothekertaxen und alten Matronen

Bekannt wurde Cechov zwar für seine Dramen, die Anfänge des aus der Provinz nach Moskau gekommenen Dichters lagen jedoch auf anderem Gebiet: Anton Cechov fand zunächst ein - wenn auch kärgliches - Auskommen mit humoristischen Miniaturen, die er an diverse Blätter verkaufte. Zwei von Peter Urban übersetzte und herausgegebene Bände versammeln das Frühwerk.

Die in "Das Leben in Fragen und Ausrufen" und "Aus den Erinnerungen eines Idealisten" enthaltenen Kurzerzählungen, Minidramen und Dialoge - kaum eine länger als vier Seiten, die meisten noch deutlich kürzer - folgen der russischen Akademie-Ausgabe. Dabei ist dem Herausgeber für die Beschränkung auf eine repräsentative Auswahl zu danken. Jene Humoresken, die sich allzu direkt auf aktuelle Tagesfragen bezogen, wurden bewußt ausgespart. Der dadurch erforderliche Kommentar-Apparat hätte wohl die Geduld des durchschnittlichen Lesers (und auch meine) überschritten.

So sind zwei überschaubare Bücher herausgekommen, die sich quer durch den Satire-Salat lesen lassen und dabei einiges Vergnügen bereiten. Sicherlich - Cechov selbst hielt später nicht viel von seinen "Brotarbeiten". "Mein Buch gefällt mir gar nicht. Es ist ein Mischmasch, ein ungeordneter Haufen von Studentenarbeiten, gerupft von der Zensur und den Redakteuren der humoristischen Zeitschriften", meinte er zur Veröffentlichung der "Bunten Erzählungen", die ähnliches enthielten wie die heute vorliegenden Bände, im Jahre 1886. Wenn man sich immer an das hielte, was Autoren zu ihrem eigenen Werk meinen, ginge man jedoch so manches lohnenden Fundstücks verlustig - u. a. des Gesamtwerks Franz Kafkas.

Die Tonfall schwingt zwischen den Polen heiter und bitter, die Themen sind jenen der Dramen z. T. recht ähnlich. Aus manchen der Satiren fabrizierte der Autor später einen Einakter, indem er die Erzählerpassagen eliminierte. Es geht also in erster Linie um das Zusammenleben von Mann und Frau und um seine Institutionalisierung in der Ehe. Die Beziehung zwischen den Geschlechtern wird von wirtschaftlichen Interessen geleitet: Die Frauen suchen einen Ernährer, den sie ausplündern können und der im Idealfall noch dumm genug ist, sich Hörner aufsetzen zu lassen. Die Männer hingegen - jene zumindest, die nicht in gesicherten Verhältnissen leben - erhoffen sich vor allem eine gute Partie, sprich: eine lohnende Mitgift. Wenn schon die Ehe ein einziger Betrug ist, was kann dann überhaupt noch funktionieren? Die Beamten pressen den Bürger aus, der Kaufmann haut seine Kunden übers Ohr, der Arzt ist ein geldgieriger Quacksalber und den politischen Kräften geht es ohnehin nur um Macht und weltanschauliche Tyrannei.

Formal unterscheiden sich die Texte dabei stark, was viel zur Kurzweil beiträgt: Von der Prosaminiatur zum Kleinstdrama, vom Tagebucheintrag zum Brief ist alles versammelt - auch eine Liste der "Frau aus der Sicht des Trinkers":

Ehefrau - Selterswasser
Schwiegermutter - Salzgurkenlake
reizende Unbekannte - das Gläschen Vodka vor dem Essen
Witwe von 23 bis 28 Jahren - Muskateller und Marsala
Witwe von 28 Jahren an aufwärts - Porter
alte Jungfer - Zitrone ohne Cognac
Braut - Rosenwasser
Tantchen - Essig

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Über den Autor:
Anton Cechov wurde 1860 im südrussischen Taganrog geboren. Der Sohn eines Kleinkrämers, der Bankrott gemacht hatte, ging 1879 zum Studium nach Moskau. Schon bald begann er für die damals zahlreichen Blätter der Hauptstadt Humoresken und Satiren zu verfassen. Mit leidlichem Erfolg - der Marktwert und damit die Honorare des "Brotschreibers" stiegen beständig. Später wurde er Arzt, widmete sich dabei aber zunehmend der Literatur und machte sich einen Namen als Dramatiker. Aufgrund einer Tuberkulose-Erkrankung verbrachte er viel Lebenszeit in Kurorten Südrußlandes und Westeuropas. 1904 starb Anton Cechov in Badenweiler.