Pink Samurai

Er zählt zu den bekanntesten Regisseuren Japans: Oshima Nagisa. Seinen wahrscheinlich letzten Film "Gohatto" gibt es jetzt auf DVD.

Als bekannt wurde, daß der legendäre japanische Regisseur Oshima Nagisa wieder einen Film machen würde, ging ein begeistertes Raunen durch die Welt der internationalen Filmhistoriker. Freunde des japanischen Kinos waren genauso gespannt wie die pseudointellektuelle Cineastenbrut. Als man dann auch noch die Namen "Beat" Takeshi (alias Kitano Takeshi) und Asano Tadanobu auf der Besetzungsliste vorfand, stieg die Spannung fast ins Unermeßliche. Was würde Oshima, auf dessen Konto unter anderem Meisterwerke wie der noch heute umstrittene Skandalfilm "Im Reich der Sinne" oder das kompromißlose Drama "Nackte Jugend" gehen, da wohl inszenieren?

Inzwischen sind fast zwei Jahre vergangen, das historische Drama (eigentlich ein Samurai-Film) "Gohatto" konnte in Cannes punkten und war bereits auf zahlreichen internationalen Filmfestivals zu sehen. Dank der Veröffentlichung auf DVD kann man Oshimas neuestes Werk jetzt endlich auch bei uns begutachten.

Die Story: Kioto, Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Shinsen-gumi, eine zum Schutz gegen aufmüpfige Samurais gegründete "Sondereinheit", rekrutiert neue Mitglieder. Unter den zahlreichen Anwärtern schaffen es gerade zwei, in die Reihen der Schwertkämpfer aufgenommen zu werden: der androgyne Kano, ein aus reicher Familie stammender achtzehnjähriger Jüngling, und Tashiro, ein eher verwahrloster Samurai. Durch Kanos mädchenhafte Züge und seinen schmächtigen Körperbau fühlt sich nicht nur Tashiro zu ihm hingezogen, sondern auch einige der anderen Samurais. Nach und nach wird ein verwirrendes Netz aus Verlangen und homoerotischer Eifersucht gesponnen, in dessen Mittelpunkt der junge Kano steht.

Oshimas "Gohatto" handelt einerseits von sexueller Verwirrung unter den Samurai, andererseits von dem Chaos, das naturgemäß entsteht, sobald starke Emotionen ins Spiel kommen. Mit 1865 zeitlich knapp vor Beginn der Meiji-Periode - einer wichtigen Epoche der japanischen Geschichte (Ende des Shogunats, Öffnung gegenüber dem Ausland, Wiederherstellung des Kaiserreichs) - angesiedelt, als die mystifizierten Schwertkämpfer, wie seinerzeit die Dinosaurier, immer mehr von der historischen Bildfläche verschwanden, untergräbt Oshima den Mythos der Kriegerklasse, indem er sich der Homosexualität als Hintergrund für den Niedergang der Samurai-Klasse bedient.

Formal zwar wie gewohnt einwandfrei inszeniert, plätschert "Gohatto" in aller Ruhe vor sich hin, ohne dabei jedoch die Intensität der früheren Werke des Regisseurs zu erreichen. Die aufgegriffene Problematik wird nur an der Oberfläche gestreift, und Matsuda Ryuhei in der Rolle des Kano stellt sich als Fehlbesetzung heraus. Mag sein, daß er durch sein androgynes Aussehen für den Charakter prädestiniert war, von erotischer Ausstrahlung oder Sinnlichkeit ist bei ihm allerdings nicht viel zu entdecken.

Tabubrecher Oshima, der mit seinen Filmen immer wieder heftige Kontroversen ausgelöst hat, versucht auch mit "Gohatto" (= Tabu) erneut ein wenig zu provozieren. Doch leider ist er mit der Homosexuellen-Thematik ca. zehn bis zwanzig Jahre zu spät dran. Abgesehen davon, daß Homosexualität bzw. die Figur des "bishonen" bereits im Mittelalter ein beliebter Stoff in der japanischen Literatur war, stößt das filmisch umgesetzte Thema heute bei Gott keinen mehr vor den Kopf; nur eingefleischte Samurai-Fans werden vielleicht ein Problem damit haben. Der fast siebzigjährige Oshima erlitt übrigens während der Dreharbeiten einen Schlaganfall, weshalb es fraglich ist, ob er noch einmal Gelegenheit erhalten wird, Regie zu führen.

"Gohatto" ist zwar alles andere als ein schlechter Film, vom erwarteten Meisterwerk jedoch leider meilenweit entfernt.

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