Die Hausfrau von Venedig

Eine zweifache Mutter verläßt ihre Familie, um in Venedig ein neues Leben zu beginnen. Das mag sich fad lesen - aber bei "Brot & Tulpen" handelt es sich um ein uritalienisches Feelgood-Movie der unwiderstehlichen Art.

An erster Stelle muß dieser Rezension vorausgeschickt werden, daß ein Film aus Italien nur in der lautmalerischen Originalversion zu voller Größe auflaufen kann. Das ist der Welt spätestens seit dem Oscar für Roberto Benigni bekannt. Natürlich spricht nicht jeder italienisch, aber die meisten können Untertitel lesen. Also - falls Sie diesen Film besuchen wollen, sollten Sie das Herz haben, ihn im Original zu sehen.

Rosalba (Licia Maglietta) ist mit ihrem Gatten und den beiden halbwüchsigen Söhnen unterwegs durch die historischen Stätten Italiens - auf Pauschalarrangement im Reisebus. Als sie beim Zwischenstop an einer Raststation etwas länger auf der Toilette zu tun hat (ein Ohrring fällt in die Muschel), wird sie vergessen - der Bus fährt ohne sie los. Zwar kehrt er bald wieder um, doch als er ankommt, ist Rosalba nicht mehr da.

Sie hat sich von einem jungen Mann mitnehmen lassen - und der fährt nach Venedig, wo Rosalba noch nie gewesen ist. Sie kann der Lagunenstadt nicht widerstehen. Nach der Übernachtung in einer in Schließung befindlichen Pension lernt sie den Kellner Fernando (Bruno Ganz) kennen, der sie bei sich aufnimmt. In der neugewonnenen Freiheit, entbunden von allen Sorgen und Pflichten des Alltags, blüht Rosalba auf - sie erlebt quasi einen zweiten Frühling. Ein alter Anarchist engagiert sie für seinen Blumenladen, die Masseuse Grazia (Marina Massironi) wird ihre beste Freundin, und auch zu Fernando entwickelt sich eine enge Freundschaft. Gedanken an zu Hause, an Mann und Kinder, schiebt Rosalba von sich.

Natürlich steht im Heim der Familie einstweilen alles auf dem Kopf. Rosalbas Gatte engagiert das tolpatschige, riesenbabyhafte Muttersöhnchen Constantino (Giuseppe Battiston); er schickt ihn als Privatdetektiv nach Venedig, um die Flüchtige aufzuspüren. Das gelingt Constantino zwar, aber Rosalba hat sich bereits zu sehr verändert - sie will nicht zurück. Erst als eine alte Freundin im Blumenladen auftaucht und berichtet, daß Rosalbas jüngerer Sohn Drogen nimmt, verläßt sie Venedig schweren Herzens und kehrt an den heimischen Herd zurück. Aber scheinbar hat sie schon zu tiefe Wurzeln in Venedig geschlagen; liebeskrank macht sich Fernando auf, sie in Pescara zu besuchen und zur Rückkehr zu bewegen. Und eigentlich hat Sohnemann gar keine Drogenprobleme; er raucht bloß ab und zu Haschisch...

Silvio Soldinis charismatische Romanze lebt bestens von ihrem grunditalienischen Wesen, spielt mit allen altmodisch verklärten Assoziationen der mediterranen Lebensweise und windet sich gekonnt um Klischees herum. Die Emotionalität ist unmanipulativ, ohne Kitsch inszeniert und damit umso verständlicher. Natürlich kommt auch der Humor nicht zu kurz, vertreten vor allem in Form des trotteligen Detektivanwärters Constantino, der aber auch nicht bloß der Lächerlichkeit preisgegeben wird, sondern genau wie alle anderen Figuren ambivalent und nuanciert gezeichnet ist.

"Brot & Tulpen" ist sicher kein Film für Jugendliche. Aber die Thematik des Ausbruchs einer Hausfrau aus einem festgefahrenen Leben voller Gewohnheiten gewinnt mit jedem Jahrgang an breiterer Bedeutung. Einfühlungsvermögen und eine gewisse Symphatie für den "Italian way of life" sollte man mitbringen, dann kann man sich großartig amüsieren.

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Das unwiderstehliche Flair von Venedig, italienische Trattoria-Atmosphäre, sympathische Darsteller - wer Italien mag, wird sich in "Brot & Tulpen" sicher wohl fühlen.