Süße Todesgrüße

Zwei Rettungsfahrer in Wien kommen einem abgefeimten Mordkomplott auf die Schliche und geraten dabei zwischen lebensgefährliche Fronten: temporeiche Unterhaltung mit Schmäh und Action.

Der Tod, des muaß a Weana sein. Wo das Selbstmitleid zu Hause ist, da verziert das morbide Wiener Herz seine Todessehnsucht seit jeher mit kokettem Zuckerguß - und stellt auch einen guten Nährboden für abwegige Krimis bereit, im realen wie fiktiven Leben. Wolf Haas machte daraus ein gutgehendes Buch, dessen Potential Wolfgang Murnberger ("Himmel oder Hölle", "Ich gelobe") in einen überraschend gut funktionierenden Spielfilm ummünzte.

Der abgehalfterte Ex-Polizist Brenner (sehr gut: Josef Hader), der nach einer Affäre mit der Ehefrau seines Vorgesetzten den Dienst quittieren mußte, verrichtet seinen neuen Job als Rettungsfahrer bei einem Privatunternehmen nur mehr in phlegmatischer Resignation. Die Abende verbringt er Joint rauchend und zu Jimi Hendrix Luftgitarre spielend in seiner kargen Wohnung. Auch der Mord an einem Liebespaar, der in Gegenwart zweier Kollegen geschieht, kann ihn vorerst nicht aus seiner Lethargie reißen. Sein ambitionierter Buddy Berti (gut: Simon Schwarz) drängt ihn jedoch zu Ermittlungen auf eigene Faust.

Mehr als widerwillig beginnt Brenner nach einem zweitem Mordfall auf Bitten der proletarischen Schönheit Angelika (unterfordert: Nina Proll) zu recherchieren und stößt dabei nicht nur auf allerlei Ungereimtheiten, sondern stolpert nach und nach auch in immer absurdere und bedrohlichere Situationen. Er wird auf höchst unerfreuliche Weise mit einem verfeindeten Rettungsdienst und seinen ebenfalls ermittelnden Ex-Kriminalkollegen konfrontiert, trifft auf seine fast vergessene, wunderschöne Jugendliebe Klara (würdig gegen Type-Casting ankämpfend: Barbara Rudnik) und landet schließlich in einem Netz von abgründigen Machenschaften, an dessen Ende das Gute - zwar leicht lädiert, aber immerhin - siegt.

Das Geschehen, das von einem wissendem Erzähler aus dem Off wohlwollend kommentiert wird, geht in einem für österreichische Verhältnisse ungewohnt flotten Tempo vonstatten. Ein Sammelsurium an seltsamen Typen treibt die Handlung voran, und Wolfgang Murnberger beschränkt sich häufig auf Skizzierungen und Andeutungen, nimmt aber kräftig Anleihen beim amerikanischen Genre-Kino. Zwar klappt die Transponierung ins Wienerische nicht ganz, aber der Versuch ist lobenswert. Murnberger pfeift auf lückenlose Logik und greift, wenn die Handlung zu scheitern droht, auf stellenweise recht witzige (Selbst-)Ironie zurück. Hier erweist sich fast immer Josef Hader als Rettungsanker. Trotz aller Vorbehalte gegen Kabarettisten als Schauspieler ist sein Brenner eine ziemliche Glanzleistung. Auch wenn sein im Interview erklärtes Vorbild Harvey Keitel in "Bad Lieutenant" natürlich überzogen ist, so kreiert Hader eine überzeugend kaputte Figur, deren Weg von selbstmitleidiger Larmoyanz zur Selbstläuterung man mit Sympathie verfolgt. Das hat im heimischen Kino absoluten Seltenheitswert.

Doch leider bleiben Film und Drehbuch nicht dabei, Amerikanismen, Johann Sebastian Bach und die jüngste österreichische Kriminalgeschichte von Waltraud Wagner bis Elfriede Blauensteiner zu zitieren. Besonders in der ersten Hälfte verfällt der in nur sieben Wochen abgedrehte Streifen in überholte "Kottan"-Klischees und testosterongeschwängerten Zotenhumor. Der führt zu peinlich-verklemmten Szenen und Dialogen, die völlig unrealistisch und unnötig sind (z. B. öffentlicher Blowjob, tiefe Witze am Würstelstand) und unfreiwillig eher die Macher als das porträtierte Milieu demaskieren.

Das ist mit ein Grund, daß "Komm, süßer Tod" trotz hoher handwerklicher Qualität und Kurzweiligkeit nur in seltenen Momenten wirklich "filmisch" ist und stattdessen die meiste Zeit über nicht über eine überdurchschnittliche "Tatort"-Folge hinausgeht. Als TV-Serie wäre er echt großartig. Warum er diese Chance trotz guter Kamera, ambitioniertem Schnitt, netten Action-Szenen und einem sehr gelungenen, sogar durchgehend stimmig eingesetzten Soundtrack von den Sofa Surfers verschenkt hat, bleibt wohl Wolfgang Murnbergers Geheimnis. Ein Kassenerfolg wird sein Film trotzdem werden, und - hält man sich die restliche heimische Filmszene vor Augen - das sicher nicht unverdient.

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