Systematic Hipsters Creach Out

Daß gut abgehangene Figuren in der Musikszene sich nicht zwangsläufig ständig wiederholen müssen, zeigt Stephen Mallinder mit seiner neuen Band Ku-Ling Bros.

Manchmal wiegt die Geschichte einer Band oder eines Künstlers schwer. Ganz besonders dann, wenn man einst Teil einer aufregenden neuen Bewegung war, die mittlerweile - absorbiert von neueren Strömungen - irgendwo in einer Ecke vor sich hingammelt. Versuche der Emanzipation von der eigenen Historie sind oft nicht nur sehr schwierig, sondern werden meist erst gar nicht unternommen.

Stephen Mallinder hingegen ist diese Distanzierung zumindest zum Teil gelungen: Als Gründungsmitglied von Cabaret Voltaire, der legendären Industrial-Band der ersten Stunde, spielte er gemeinsam mit Richard H. Kirk und Chris Watson den Soundtrack zum industriellen Niedergang Großbritanniens ein und bewegte sich im Umfeld von Throbbing Gristle, SPK, NON, T.A.G.C. und anderen visionären Bands mit dekonstruktivistischer Attitüde. Doch im Vergleich zu den anderen Distortion- und Noise-Bands der frühen 80er trat bei Cabaret Voltaire sehr bald Pop auf den Spielplan, und die Subversion wurde geschickt zwischen die Zeilen gepackt. 1994 erschien mit "The Conversation" das bisher letzte Album von CV - eine rein instrumentale Collage aus Electronic Listening, Dub, House und Kurzwellen-Radio-Sampling; modern zwar in der Aufmachung, aber noch immer zu 100 Prozent in der Industrialbewegung verhaftet.

Sechs Jahre und einige sporadische Veröffentlichungen einzelner Tracks sowie Remixes (für Sneaker Pimps, Yummy Fur, Ammonia, Jebediah etc.) später erscheint mit "Creach" nun der erste Longplayer der Ku-Ling Bros. Der abwechslungsreiche Querschnitt durch zweieinhalb Jahre Arbeit ist dementsprechend vielfältig ausgefallen und bietet einen durchgehend zurückgelehnten Mix verschiedenster Einflüsse. HipHop-Loops, Dub, Breakbeat, Electro, Funky House, Afrobeat und Downtempo fügen sich in ein helles, sonniges Geflecht, das stets die Freude am Experimentieren durchschimmern läßt und auf Parties eine ebenso gute Figur macht wie bei der Beschallung des trauten Heims. Ganz nebenbei ist das Album auch eine Demonstration, wie man sich geschickt seiner eigenen Geschichte entziehen kann und Erfahrungen verarbeitet, ohne den Oberlehrer zu spielen. Ebenfalls erwähnenswert: Das Artwork der CD wurde von jungen australischen Künstlern erstellt, deren Arbeiten im Booklet präsentiert werden.

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