Im Kosmos der Gefälligkeiten

Mit "Two Worlds" scheitert ein großangelegter Versuch, Klassik und Jazz zu vereinen. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt die Süßlichkeit der Protagonisten Lee Ritenour und Dave Grusin, die hier eher einen Soundtrack der großen Gefühle als ein Fusion-Album abliefern.

Es hat gute Gründe, warum "Two Worlds" nicht als Fusion-, sondern lediglich als Crossover-Produkt gelten kann. Während Fusion nämlich von kreativer Vermischung lebt, bedeutet Crossover im klassischen Genre zumeist Verflachung. So geht es auch beim vorliegenden Album fast ausschließlich um "ernste" Musik, die dem Hörer durch kommerzielle Umgestaltung möglichst mundgerecht aufbereitet werden soll.

Daß dieses Album jedoch auch seine hellen Momente besitzt, zeigt bereits die Anfangsnummer: Hier präsentiert Pianist Grusin, der für den Großteil der Arrangements verantwortlich zeichnet, den ersten Satz von Bachs Konzert für vier Cembali und Streicher in neuem Gewande. Durch seine exzellente Neuadaptierung der Partitur für Ritenours Gitarre, Klavier und Streicher erreicht er eine Spritzigkeit, die der Originalversion durch die Härte der vier Cembali fehlt. Auch das zweite Werk von Bach, das auf dieser CD umgesetzt wurde, klingt solide: Brav schrummt hier Julian Lloyd Webber als Gaststar am Cello Bachs berühmte "Siciliana". Fraglich ist nur, warum jener so illustre zweiter Satz aus Bachs Sonate für Klavier und Flöte hier zur Aufführung gelangt - denn weder wäre das Stück unbekannt, noch besticht die Interpretation durch das Wagnis der Neuheit. Jazzige Interpretationen, wie sie etwa der Bach-Afficionado Jaques Loussier konzipiert, unterbleiben auf "Two Worlds" leider völlig. Hätten Grusin und Ritenour ihre CD als Fusion von Filmmusik und Klassik angekündigt, wären sie dem Kern ihres Projekts deutlich näher gekommen, als unselig den Jazz im Booklet als Zutat ihrer Klangmelange anzuführen.

Abgesehen von Bach dominiert bei den ausgewählten klassischen Werken das folkloristische Element: Bartoks rumänische Volkstänze reihen sich an die traditionellen amerikanischen "River-Songs", und mit den Werken De Fallas, Torrebas und Mompous konzentriert "Two Worlds" ein Bollwerk spanischer Folklore, deren Neuarrangements Ritenour reichlich Platz für seine zuweilen unerträglich manirierte Gitarrenkunst bieten. Daß manche dieser Interpretationen leider genauso authentisch-spanisch klingen wie jene Spülmittelwerbung, in der Villa Riva und Villa Bacho nach einer Fiesta ihre Pfannen waschen, gereicht leider nicht unbedingt zum Vorteil dieses Albums. Vor allem die zwei amerikanischen Folksongs "The Water Is Wide" und "Shenandoah" geraten in der Grusinschen Interpretation zu einem Tummelplatz schwülstiger Effekte. Vom kitschigen Klavierglissando bis zum alles verkleisternden Streicherklang läßt Grusin keine Möglichkeit aus, den Liedern tragisches Pathos einzuhauchen. So tonnenschwer sind die Stücke unter der Last der klebrigen Floskeln begraben, daß das Folkloristische darin gänzlich erstickt.

Angenehm fallen in diesem Zusammenhang jedoch zwei Originalkompositionen von Grusin und Ritenour auf. So herrscht zwar auch in "Lagrima" und "Canto Inverno" die Sehnsucht nach dem großen Gefühl, doch besitzen die Stücke interessanterweise fast mehr Substanz als ein Großteil jener klassischen Werke, die der Filmmusik-Oscarpreisträger Grusin für dieses Album so rührselig nachbearbeitet hat.

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