The Culling Is Coming Again

Inmitten der Industrial-Bewegung Anfang der Achtziger entdeckten 23 Skidoo einen völlig neuen Musikstil, der sowohl weißen Funk und Elektronik als auch Gamelan-Musik und andere ethnische Klangquellen zuließ und überdies noch schwer vom Punk-Gedankengut infiziert war. Nach fast zwei Jahrzehnten Pause sind sie mit einem neuen Album wieder mit im Spiel.

Sogenannte Comebacks sind nicht selten eine zweischneidige Angelegenheit. Altgediente Fans der Band oder des Künstlers freuen sich über neues Material und können vielleicht sogar mit stolzgeschwellter Brust den Ich-hab´s-ja-immer-gewußt-Tenor anstimmen; jüngere Hörer werden wiederum auf in Vergessenheit geratene Künstler aufmerksam. Andererseits kann das Resultat einer allzu bemühten Penetration zeitgemäßer Musikstile aber auch dazu führen, daß sich Die-Hard-Fans in Krämpfen winden und die Kids sich fragen, was das alles soll. Nicht so bei 23 Skidoo: Obwohl ihre letzte Veröffentlichung schon fast 20 Jahre zurückliegt, waren sie eigentlich nie richtig weg. Ihre Alben "The Culling Is Coming", "Urban Gamelan", "7 Songs/Tranquiliser" und Singles wie "The Gospel Comes To New Guinea" gelten noch immer als referentielle Werke für Musiker aus so verschiedenen Sparten wie Jazz und Techno. Und natürlich sind die Jazz-Techno-Fusionists Red Snapper erklärte Fans...

Bereits in der Industrial-Culture-Szene der frühen 80er Jahre nahmen 23 Skidoo eine Ausnahmestellung ein. Dort wo andere ihre Kritik an der industrialisierten Gesellschaft mit Atonalitäten und brachialen Maschinensounds erklärten, ließen 23 Skidoo ethnische Soundquellen einfließen und erdeten ihre hypnotischen Stücke in skelettiertem Funk. Nach dem Zerfall der Industrial-Musik und dem darauffolgenden Ausschlachten des Stils durch unsägliche Crossover-Bands wandten sich 23 Skidoo dem HipHop zu. Die Releases ihres Labels Ronin Records erschienen jedoch fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit, was dem kreativen Output des Labels keinesfalls gerecht wurde.

Nun erscheint mit dem selbstbetitelten Album "23 Skidoo" also ein neuer Tonträger, und die Band um Alex und Johnny Turnbull, Fritz Catlin und Sketch zeigt, welche Einflüsse in den letzten Jahren gesammelt wurden: Die dunklen, repetitiven Klanglandschaften flirren noch immer zwischen den Polen von hochtechnisierter Zivilisation und dampfendem Dschungel. Neu hinzugekommen sind HipHop (Großartig: MC Major auf "Dirty Lo" und Roots Manuva auf "Where You At") sowie Jazz verschiedenster Ausprägungen. So spielt auch Saxophonlegende Pharaoah Sanders auf dem Track "Dawning", der Single-Auskoppplung des Albums. Sägende Gitarrenspuren finden ebenso ihren Platz im teils mystisch, teils exotisch angehauchten klanglichen Weltbild der Band wie die von den älteren Stücken bekannten Percussions aus verschiedensten ethnischen Quellen.

23 Skidoo gelingt es auf einzigartige Weise, alle klebrigen Sümpfe des Esoterik-Kitsch und der hippiesken World-Musik-Hybriden zu umgehen, von denen ihr Weg manchmal gesäumt zu sein scheint. Weder bemüht noch belehrend verbinden sie Einflüsse, wie sie verschiedener kaum sein können, auf selbstverständliche Art und Weise. Vielleicht nicht ganz so visionär wie ihre alten Arbeiten, aber geprägt von musikalischem Forscherdrang und tatsächlichem kreativen Verständnis, ist "23 Skidoo" ein echtes Erlebnis für Hörer aller Sparten ohne akustische Scheuklappen.

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