Das Leben ist wie eine Miesmuschel

Oscar-Sammler Tom Hanks und Oscar-Sammler Robert Zemeckis treten in "Verschollen" wieder als Team an. Das Ergebnis ist fast dasselbe wie immer.

Chuck Noland (Tom Hanks) ist ein typisches Zivilisationstier. Er hat ein nettes Heim, eine nette Frau (Helen Hunt) und einen aufregenden Job, der ihn immer wieder sehr kurzfristig an die entlegensten Orte der Welt bringt. Die modernistische Hetzerei findet für den Karrieretypen allerdings ein abruptes Ende, als eines Tages sein Flugzeug abstürzt und er als einziger Überlebender an den Strand einer entlegenen Südseeinsel gespült wird.

Noland ist zwar geschockt, geht aber pragmatisch ans Werk: Wasser muß her, dann was zu futtern, und natürlich ein Dach überm Kopf. Als die Grundbedürfnisse des Organismus schließlich mit der Natur im Reinen sind, kommen die seelischen Probleme auf. Weit und breit ist nämlich kein Freitag zu sehen, und so versinkt Robinson 2001 alsbald in tiefer Einsamkeit und beginnt, sich mit sich und der restlichen Welt auf einer spirituellen Ebene auseinanderzusetzen. Was sollte er auch anderes tun, wenn niemand zum Reden da ist? Fische und Shrimps wollen einfach keine Antwort geben, schon gar nicht, wenn sie in der improvisierten Pfanne zappeln.

So ziehen vier Jahre ins Land. Dann hat Chuck das Glück, doch gerettet zu werden, und kehrt zurück in die Zivilisation. Aber dort ist sein psychologisches Stehvermögen erst recht gefordert. Zur Begrüßung sieht er sich mit einem Bankett aus Sushi und Meeresfrüchten konfrontiert - also mit genau dem Fraß, von dem er sich geschworen hat, ihn nie wieder anzurühren. Außerdem hat man ihn ja lange Zeit für tot gehalten, und so lange ist sein liebes Weiblein natürlich kein Kind von Traurigkeit geblieben. Überhaupt findet er nur noch kümmerliche Reste seines früheren Lebens vor. Tja, Pech gehabt. Filmende.

Man muß Starregisseur Zemeckis zugute halten, daß er es wirklich versteht, großes amerikanisches Kino zu inszenieren. Seine Filme können sich mit jeder noch so kunstvollen Schaufensterdekoration messen. Und diesmal hat Tom Hanks sogar ein- oder zweimal Dreck unter den Fingernägeln - das ist im Hochpolitur-Usus der US-Filmmetropole schon Realismus pur.

Bei seinem prinzipiell interessanten Zugang zum Robinson-Thema versagt Zemeckis am Schluß aber doch wieder so, wie man es von Anfang an erwartet hat. Wie der Zwangseremit nämlich nach seiner Rückkehr in die Zivilisation auf die zertrümmerten Reste seines früheren Lebens reagiert, wird nämlich nur angeschnitten. Dabei wäre gerade das der interessante Part des Films gewesen. Aber nein, da läßt Zemeckis seinen Leibschauspieler Hanks lieber stundenlang auf der Trauminsel rumlungern, grübeln und hausbackene Weisheiten erkennen, während ihm die Natur in Safari-Erlebnispark-Manier um die Ohren flitzt.

Wer sich einen esoterischen Selbsterkennungsfilm erwartet, wird enttäuscht. Wer sich eine spannende Erzählung mit schönen Naturaufnahmen erhofft, wird sich langweilen. Nur jene, die auf die typische aufgeblasene Hollywood-Pisse eingestellt sind, werden vielleicht ein bißchen überrascht - was aber sicher nicht ausreicht, um den Kinoabend unvergeßlich zu machen.

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Gerade noch im Streß-Job und glücklich mit der Frau zu Hause, muß Tom Hanks plötzlich Schalentiere essen, kann sich nicht mehr rasieren und mutiert zum Hippie im Lendenschurz. Wen würde das nicht ziemlich nachdenklich machen?!