The Blair Slasher

"Blair Witch 2", die Hollywood-budgetierte Fortsetzung des gewinnträchtigsten Indie-Films aller Zeiten, ist viel besser als erwartet. Die Slasher-Filme der letzten Zeit können einpacken.

Literweise floß der Rotz aus Heather Donahues Nase, als sie mit zwei Filmstudenten-Kollegen 1999 in den Black Forests von Burkittsville/Maryland herumkroch, um mit billigsten Mitteln jenen Video/16mm-Gruselstreifen zu verwirklichen, der als "The Blair Witch Project" zum größten Box-Office-Buster der US-Kinogeschichte werden sollte. Manche hat das abgestoßen, und einige Europäer fühlten sich ob des vorangegangenen Hypes aus Amerika ordentlich geneppt, aber insgesamt ehrte das internationale Publikum den ambitionierten Studentenfilm mit einer beispiellosen Erfolgsstory - fast 200 Millionen Dollar hat er bisher eingespielt. Heather Donahue tritt neuerdings als blondgelockte Doofnase in stupiden US-Teenie-Romanzen ("Boys, Girls & A Kiss") auf. Und nun kommt die (obligatorische) Fortsetzung von "Blair Witch" nur wenige Wochen nach dem US-Start auch in unsere Kinos.

Mit dem ursprünglich kolportierten Wahrheitsgehalt der Hexengeschichte geht man in Teil 2 (zumindest anfänglich) nicht mehr hausieren. Burkittsville, jener Ort, um den die Macher des ersten Teils ihren multimedialen Mythos aufgebaut haben, ist vielmehr zum Wallfahrtsort für verschrobene Film-Nerds und ausländische Popkultur-Touristen geworden. Diverse Einwohner verdienen sich ein Jausenbrot mit Führungen zu den markanten Stellen aus dem Film, inklusive Gruselübernachtung im Wald. Zu ihnen zählt Jeff (Jeff Donovan), ein mehrmals in der örtlichen Irrenanstalt niedergespritztes schwarzes Schaf in der Bürgerkommune von Burkittsville, den der örtliche Sheriff schon allein wegen seiner Grunge-Attitüde tyrannisiert. Jeff hat für seine nächste Tour per Internet vier Interessenten gefunden: Stephen (Stephen Barker Turner) und seine schwangere Freundin Tristen (Tristen Skylar) schreiben ein Sachbuch über die Blair-Witch-Hysterie, Erica (Erica Leerhsen) hält sich selbst für eine (gute) Hexe und möchte mit Elly Kedward (der Original-Blair-Hexe) in spirituellen Kontakt treten, und Goth-Tussi Kim (Kim Director) ist eigentlich nur aus Lust am Morbiden dabei. In seinem Survival-Van, vollgestopft mit teuerster High-tech-Videoausrüstung (ein Video der Tour ist im Preis inkludiert), bringt Jeff die Gruppe zu den Ruinen des Hauses von Rustin Parr (dem gehängten, siebenfachen Kindermörder und Eremiten aus Teil 1), um dort die Nacht zu verbringen. Dort angekommen, muß sich Jeff doch sehr über einen knorrigen, alten Baum wundern, der inmitten der Ruinen aus dem Boden ragt und vor ein paar Wochen noch nicht da war. Aber klarerweise fürchtet sich niemand. Also packen die Jugendlichen Schnaps und Kiffzeug aus und dichten sich zur Feier des Abends ordentlich ab.

Als sie am nächsten Morgen erwachen, findet die Gaudi ein rapides Ende. Ein Bild der Verwüstung offenbart sich rund um ihr Lager. Geschockt zieht sich die Gruppe in Jeffs Behausung zurück - eine am Waldesrand gelegene Lagerhalle aus dem 19. Jahrhundert, die Jeff mit offensichtlicher Hehlerware gefüllt hat. Dort verlieren sie zunehmend die Nerven, und auch ihre Realitätswahrnehmung droht ins Schizophrene zu kippen...

Joe Berlinger gelingt mit diesem Psycho-Horrorstreifen der wahrscheinlich beste aller Slasher-Filme der letzten Zeit; die "Scream"- oder "Last Summer"-Filme sind dagegen die reinste Babypisse. "Blair Witch 2" punktet mit einem schlüpfrigen Hexensabbat, diversen brutalen Aufschlitzszenen, einer blutgetränkten Fehlgeburt und einem zwar nicht neuen, aber auch nicht schlechten Wahrnehmungs-Verwirrspiel, das letztendlich auch eine intelligente Lösung für das hinterfotzige Wirken der Blair-Hexe in diesem finsteren Szenario liefert. Harter Horror findet sich zwar nur sporadisch, dafür funktioniert die Gruselschiene ganz gut. Der Humor kommt ebenfalls nicht zu kurz, und daß man am Ende irgendwie im Leeren hängt und sich doch ein wenig alleingelassen fühlt, sollte positiv gesehen werden - das schafft eine gute Ausgangsposition für den längst beschlossenen "Blair Witch 3".

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