Bis auf die Knochen

Zuerst eine Nonne in einem falschen Grab, dann ein niedergebranntes Haus mit sieben übel zugerichteten Leichen drin. In Kathy Reichs´ aktuellem Krimi "Knochenarbeit" hat die Heldin Dr. Tempe Brennan wieder alle Hände voll zu tun...

Die Romane von Kathy Reichs sind nichts für schwache Nerven. Ihre sympathische Heldin, die forensische Anthropologin Dr. Tempe Brennan, legt eine bemerkenswerte Gabe an den Tag, über totes Fleisch zu stolpern. Nach dem grauslichen Job im ersten Roman "Tote lügen nicht" hat Tempe auch beim aktuellen Buch "Knochenarbeit" alle Hände voll damit zu tun, schlimmstens zugerichtete Leichen zu bergen und zu identifizieren. Reichs, die denselben Job hat wie ihre Buchheldin, greift beim Schreiben auf ihr Fachwissen zurück und schafft es, die detailgetreue Schilderung ihrer Arbeit mit einer spannenden Hintergrundgeschichte zu verbinden.

Dr. Tempe Brennan, forensische Anthropologin am Gerichtsmedizinischen Institut und Gutachterin für den Quebecer Leichenbeschauer, wird vom Vatikan persönlich mit der Exhumierung und Identifikation von Elisabeth Nicolt betraut - einer Ordensschwester aus dem vergangenen Jahrhundert, die posthum heilig gesprochen werden soll. Keine leichte Aufgabe, denn zum einen liegt die Nonne im falschen Grab, zum anderen entdeckt Tempe auch noch eine überraschende Besonderheit am Schädel der Verstorbenen. Als sie erschöpft nach der schwierigen Bergung zu Hause eintrifft und sich auf einige ruhige Tage freut, ahnt die junge Anthropologin noch nicht, wieviel Arbeit in den nächsten Tagen auf sie zukommen wird.

Kurz darauf wird sie zu einem Tatort in St. Jovite gerufen. Sie ahnt schon, daß ihr nichts Angenehmes bevorsteht, doch ihre schlimmsten Befürchtungen werden noch übertroffen. In einem bis auf die Grundmauern abgebrannten Einfamilienhaus werden nach und nach sieben Leichen freigelegt: zuerst zwei verkohlte Körper, dann ein mit etlichen Messerstichen zerstückeltes, junges Paar, schließlich eine hingerichtete Greisin und zu allem Überfluß noch zwei Säuglinge, denen die Herzen herausgeschnitten wurden.

Alles deutet auf das Werk eines üblen Psychopathen hin, doch die These vom Einzelgänger wird spätestens nach der nächsten Leichenbergung fallengelassen. Die Spuren führen zu einem Farmhaus in North Carolina, in dem eine sonderbare Sekte ein von der Außenwelt abgeschottetes Leben führt. Bei den Ermittlungen (zusammen mit ihrem alten Verehrer Detective Ryan) befindet sich Tempe auf einmal selbst in Gefahr; zuerst wird in ihrem Haus Feuer gelegt, dann ist plötzlich ist ihre spirituell veranlagte Schwester Harry spurlos verschwunden. Doch auch durch weitere Warnungen läßt sie sich nicht von der Klärung des Falls abhalten.

Seitenweise schildert Kathy Reichs ausführlichst die Arbeitsweise bei der Leichenbergung und was sich sonst so in der Pathologie tut. So endet z.B. ein Gespräch zwischen Tempe und einem ihrer Kollegen, einem forensischen Entomologen, über Einzelheiten bei der Bestimmung eines Todeszeitpunktes anhand von Käfern, Maden, Larven und Käsefliegen, in einem fast zehnseitigen Fachdisput über abgestreifte Käferhäute, leere Puppenhüllen und die Eiablage von Schmeißfliegen in frischen Leichen.

Kathy Reichs gelingt mit "Knochenarbeit" wieder eine intelligente, gut konstruierte Story mit der ebenso sympathischen wie eigensinnigen Heldin Tempe Brennan. In ihrem vom Anfang bis zum Schluß durchwegs spannend aufgebauten Roman haben auch die detaillierten Ausführungen über den Arbeitsalltag einer forensischen Anthropologin ihren Reiz - vorausgesetzt, man verfügt über einen guten Magen.

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Über die Autorin:
Kathy Reichs, 1950 in Chicago geboren, arbeitet u. a. als forensische Anthropologin an den gerichtsmedizinischen Instituten in Montreal und Charlotte, North Carolina. Ihr erster Roman "Tote lügen nicht" wurde bereits in 15 Sprachen übersetzt und war ein großer, internationaler Erfolg, den sie mit "Knochenarbeit" sogar noch steigern konnte. Ihr dritter Roman "Laßt Knochen sprechen" ist als Hardcover im Blessing-Verlag erschienen.