Der Vollständigkeit halber

Viele langjährig geplante Zyklen nähern sich langsam ihrer Fertigstellung. Auch Giuseppe Sinopoli ist einer der Dirigenten, die Gesamtwerke von Komponisten langfristig planen. Mit der Aufnahme der fünften Symphonie des oberösterreichischen Komponisten ist er seinem Ziel wieder ein Stück näher.

Obwohl Sinopoli ein ausgezeichneter Dirigent und die Staatskapelle Dresden eines der besten und traditionsreichsten Orchester der Welt ist - diese Aufnahme von Anton Bruckners fünfter Symphonie läßt einiges vermissen. Unter der Rubrik "Anton Bruckner" findet man in den Tonträgerkatalogen mehr als genug Referenzaufnahmen. Und wollte man in Sachen Bruckner-Symphonien eine Rangordnung aufstellen, so käme diese Neuaufnahme von Sinopoli bestenfalls ins Mittelfeld.

Sinopoli, dem ansonsten immer eher behäbige Tempi nachgesagt werden, packt bei dieser Aufnahme überraschend energisch und rasch zu - so rasch, daß man es schon wieder als gehetzt bezeichnen kann. Das Werk würde eben ein breites Tempomaß und eine sehr dynamische Darstellung vertragen.

Der venezianische Maestro fängt zu Beginn des ersten Satzes mit äußerst breiten Tempi an und beendet ihn mit einem allzu raschen, fast hektischen Schluß. Auch das Finale des letzten Satzes ist viel zu schnell geworden. Dynamische Interpretationen sind offensichtlich nicht die Sache von Sinopoli; hier hätte er sich lieber Karajan und Maazel zum Vorbild nehmen sollen. Diese beiden wohl besten Dirigenten der Welt machen aus der Symphonie ein beeindruckendes und spannendes Opus und zelebrieren Bruckner, wie er sein soll. Bei Sinopoli klingt aber alles ein bißchen nach Einheitsbrei: fade Tempi und fast einheitlich laut.

Schon heute kann man von Sinopolis Zyklus behaupten, daß er wohl nicht mehr als Vollständigkeitscharakter haben wird. Wahrscheinlich braucht jeder bessere Dirigent derartige Gesamtaufnahmen für sein Ego. Ob die CD allerdings Bruckner-Liebhaber von den Sitzen reißen wird, muß bezweifelt werden.

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