Dichter in der Bronx

Junger, ziemlich genialer Nachwuchsschriftsteller in der Bronx trifft auf alten, eremetischen Pulitzer-Preisträger: Dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Der Weg zu Ruhm und Selbstverwirklichung in einer Welt griffiger Gegensätze mündet bei Gus Van Sant im gepflegten Erziehungsroman.

Poesie, Romantik und Schöngeist haben im nüchternen Realismus des ausgehenden Millenniums bekanntlich wenig Platz. Schon gar nicht in der rauhen Bronx, wo der 16jährige Jamal Wallace (Rob Brown) das Drama eines Hochbegabten durchlebt. Der brillante Schüler firmiert in seiner afroamerikanischen Community zwar als Basketball-As, muß aber sein eigentliches Talent verbergen, um nicht als uncool dazustehen. Jamals Leidenschaft sind Bücher; heimlich versucht er sich als Schriftsteller und hat darin nachgerade geniale Ansätze.
In dieser Isolation wird er auf einen etwas kauzigen älteren Herrn aufmerksam. William Forrester (Sean Connery) ist ein völlig zurückgezogener Voyeur, der die Außenwelt nur durch sein Fernglas betrachtet und in der Gegend daher reichlich mythenumwoben ist. Als Jamal seine wahre Identität herausfinden will, wird die zufällige Begegnung für beide zur berühmten schicksalshaften Wende im Leben. Der Teenager entdeckt in Forrester einen verschollenen Pulitzer-Preisträger und Kultbuchautor, der nach dem Erfolg seines ersten und einzigen Buches untertauchte; Forrester erkennt wiederum das brachliegende Talent, das es zu fördern gilt. Zwischen beiden entspinnt sich eine freundschaftliche Mentor-Schüler-Beziehung, die Jamal allen Widrigkeiten zum Trotz – ein mißgünstiger Lehrer und zufällig einstiger Widersacher der literarischen Legende namens Crawford (F. Murray Abraham), ein Love-Interest mit "falscher" Hautfarbe (Anna Paquin) – zum Stipendium und auf den Weg zum Ruhm bringt und den alten Mann aus seiner Abgeschiedenheit reißt, damit er für seinen Schützling schließlich sein ganzes Gewicht als Ikone in die Wagschale werfen kann.

J. D. Salinger ("Der Fänger im Roggen") stand Pate für die Figur Sean Connerys. Doch sonst ist die Story vom American-Dream-mäßigen Aufstieg aus der Gosse und zur erlösenden Selbstverwirklichung nicht gerade neu. Dazu mixt Gus Van Sant eine humanistische Dimension ein, indem er Fragen um Hautfarbe, Herkunft und rassistische Vorurteile auf beiden Seiten einflicht - verharrt jedoch an der Oberfläche: Dilemma und Drama entfachen sich an griffigen Gegensatzpaaren wie alt–jung, schwarz–weiß, Sport–Literatur etc.; die Helden präsentieren sich ohne Ecken und Kanten und allzuoft recht banal, überzeichnet oder glatt.
Van Sant hat ein ausgesprochenes Faible für männliche jugendliche Außenseiter, die mit einer Art Stigma behaftet sind (und autobiographische Züge in homöopathischen Dosen enthalten mögen). Zum zweiten Mal ist es das des richtigen Genies am falschen Ort - und wie schon bei "Good Will Hunting" verfällt der qualitativ höchst wankelmütige Regisseur nicht in die delirierenden, spröd-schönen Bilder seiner meisterlichen Drogen- und Stricherdramen "Drugstore Cowboy" und "My Own Private Idaho", sondern in den Duktus des gediegenen Erziehungsromans mit einem Hang zum Schwülstigem: gepflegte Dialoge, schöne Bilder, gute Schauspieler und ein vorhersehbares Drehbuch, dessen aufklärerische Anliegen unter der routinierten Oberfläche im Sentimentalen oder der Belanglosigkeit wie in einem gut gepolsterten Ohrensessel versinken.
Solche Messages, die niemandem weh tun und bei denen sich das Publikum "gut" fühlen darf, sind im allgemeinen die besten Voraussetzungen für eine Oscar-Nominierung: sechs gab es für "Good Will Hunting"; "Finding Forrester" ging leer aus.

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