Internationale Materialschlacht

Jean-Jacques Annauds "Enemy At The Gates", bei uns unter dem Titel "Duell" verkauft, ist groß aufgeblasenes Hollywood-Kino. Allerdings handelt es sich um einen europäischen Film.

Der kleine Bauernjunge aus dem Ural zögert - er will den Wolf nicht töten. Aber weil sein Vater ihm das Scharfschießen beibringen will und deshalb ein Pferd als Wolfsköder angebunden hat, steht viel auf dem Spiel. Der Alte schimpft, tobt - aber er muß selbst abdrücken. Sein Sohn (oder Enkel?) tötet kein unschuldiges Tier. Daß er damit seiner Welt einiges voraus hat, merkt er spätestens zu dem Zeitpunkt, als er in Stalingrad eintrifft, eingezogen von der Roten Armee zum Zwecke der Verhinderung des Endsiegs der Deutschen bzw. Nazis (aber das ist ja dasselbe). Er heißt Vassili Zaitsev, sieht aus wie Jude Law und hat sich gerade vorhin noch in ein hübsches Mädchen im Zug verguckt. Was ihm jetzt geboten wird, ist eine andere Art von Nervenkitzel: In Scharen werden Jungmänner über den Fluß ins alte Stalingrad gebracht, um die Wehrmacht aufzuhalten. Schon die Boote werden aus der Luft und mit Artillerie angegriffen; wer feig ist und aussteigt, wird vom Bootskapitän erschossen. Bis man am anderen Ufer anlegt, betragen die Verluste wahrscheinlich schon mehr als 50 Prozent. In den gleich darauf folgenden Gefechten wird das restliche Kanonenfutter verheizt; es gibt nur ein Gewehr für zwei Mann und keine Alternative zum vorwärtsgerichteten Angriff - denn im Rücken warten die russischen MPs, um jeden abzuknallen, der sich einbildet, flüchten zu können.

Ja, ganz klar: Stalingrad war ein unbeschreibliches Bestiarium. Die Nazis sind sowieso die niedrigsten Tiere in Darwins Buch, aber wer sich gegen sowas wehren muß - wie eben die Russen in Stalingrad -, der muß wohl oder übel zu gleichwertigen, keinesfalls zimperlicheren Mitteln greifen. Als der gute Vassili dann aber mit einem anderen Soldaten in einem mit Leichen gefüllten Monument liegenbleibt und eine Handvoll Hakenkreuz-Rübenfresser per Kopfschuß zum Teufel schickt, ist ein neuer Kriegsheld geboren. Der andere Soldat war nämlich der Polit-Offizier Danilov (Joseph Fiennes), und der weiß nun, wie man den Krieg gewinnt: Indem man Vassili als beispielhaften Helden der Sowjetrepubliken auf Gazetten und Flugblättern abfeiert. Die Rechnung geht tatsächlich auf. Vassili wird zur nationalen Berühmtheit, und es ist wirklich eine Freude, ihm dabei zuzusehen, wie er die Nazihirne spritzen läßt. Vassili verliebt sich in die Kämpferin Tania (Rachel Weisz), aber leider fühlt sich auch Danilov zu ihr hingezogen, und das gibt Reibereien. Dann schicken die Deutschen den abgewichsten Major König (Ed Harris) nach Stalingrad, damit er den Kopf von Vassili Zaitsev bringe. König ist der beste Scharfschütze im Reich. Wer wird gewinnen?

Jean-Jacques Annaud hat für diesen Film mit Hollywoodscher Starbesetzung angeblich 180 Millionen Euro verbraten - es handelt sich bei "Duell" um das erste europäische Prestigeprojekt, mit dem man der Hollywood-Blockbusterei Paroli bieten will. Auf der Leinwand ist zwar zu sehen, daß der Film teuer war, aber so teuer hätte er wohl nicht unbedingt sein müssen. Egal: Die Schauspieler - allen voran der immer gern gesehen Ed Harris, Frauenherzenschmelzer Jude Law und Bob Hoskins als Kommunistenbonze - bringen durchwegs erfreuliche Leistungen. Die Story ist nuancenreich und spannend. Es gibt eine Romanze, die fast schlimm, dann aber doch glücklich endet. Ein Freundschafts- und Vaterlandsverräter stirbt doch noch einen Heldentod. Es gibt ein paar kleinere Tragödien, z. B. wird ein Kind aufgehängt. Dafür fressen haufenweise Deutsche Dreck. Anders gesagt: dieser Film hat alles, was großes Starkino braucht, er ist spannend, unterhaltsam und abwechslungsreich. Daß er von fast allen Euro-Kritikern ausschließlich verrissen wurde, kann nur in Unfähigkeit, Erblindung oder Blödheit liegen - oder einfach nur am Neid, weil Annaud so große Filme machen darf und die verhinderten Filmemacher dieser Welt, die die meisten Kritiker nun mal sind, noch immer vor ihrem Computer hocken, um über das zu tippseln, was andere verwirklichen. Fazit: "Duell" kann man sich auf jeden Fall ansehen. Die meisten Filme aus Hollywood sind bei weitem nicht so gut.

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