Ein Schlag genügt

Gangster aus aller Welt jagen in London einem fetten Diamanten hinterher, werden an Schweine verfüttert und von einem prügelnden Zigeuner, der unverständlich redet, hinters Licht geführt.

Wir erinnern uns: Der Film "Lock, Stock & Two Smoking Barrels" war 1997 in England ein Riesenerfolg, wurde international aber nicht gebührend wahrgenommen. In Österreich war der Film nie im Kino und landete als "Bube, Dame, König, Gras" nur in den Videotheken. In der Eingeweihtenszene wurde Regisseur Guy Ritchie allerdings sehr wohl zum Begriff. Etwas später heiratete er dann Popsängerin Madonna und kam damit wirklich in die Schlagzeilen.

Was folgte, war klar. Bei so viel Publicity ließen sich die großen Studios nicht lange bitten. Nun kommt Ritchies zweiter Film "Snatch" bei Columbia TriStar heraus. War das eine Aufregung, als man die ersten Trailer sah: Da tänzelte Superheld Brad Pitt zwischen schrägen Halbweltfiguren herum und überbot den ohnehin mit aller Eloquenz geführten lockeren Spruch durch ein unwiderstehliches Genuschel, das nicht einmal in England verstanden wird.

Der Film selbst kann den hochgeschraubten Erwartungen nicht ganz entsprechen. Die Story: Frankie Four Fingers (Benecio Del Toro) bringt für eine Gruppe jüdischer Diamanthändler einen golfballgroßen Diamanten nach London (das im übrigen Landen heißt). Verschiedene Gangster wollen den Diamanten, und weil Frankie als Spieler bekannt ist, wird ein illegaler Faustkampf ohne Boxhandschuhe organisiert. In diesem soll der Boxer des Schmalspurganoven Turkish (Jason Statham) gegen jenen des bösartigen Unterweltgranden Darren (Jason Flemyng) verlieren. Bei dem Versuch, einen Wohnwagen zu kaufen, landet Turkishs Boxer im Krankenhaus; Zigeunerjunge Mickey (Brad Pitt) hat ihn mit einem einzigen Fausthieb dorthin gebracht. Der gefürchtete Darren erlaubt Turkish, stattdessen Mickey in den Ring zu bringen. Der aber haut abermals seinen Kontrahenten mit einem Punch um. Der Junge glaubt offenbar, daß das alles ein Spiel ist. Also läßt Darren Mickeys Wohnwagen mitsamt seiner Mutter abfackeln. Der Diamant verschwindet nach vielen Wirren im Magen eines Hundes. Und wider Erwarten bekommt Mickey eine letzte Chance, in einem weiteren Kampf doch noch in der vierten Runde k. o. zu gehen...

Wieder ist die Handlung kunstvoll verstrickt und mit jeder Menge cooler, eigenwilliger Gangster (u. a. auch Dennis Farina als amerikanischer Cousin Avi, Vinnie Jones als Bullet Tooth Tony und Rade Sherbedgia als Boris the Blade) verziert, die einen One-Liner nach dem anderen ablassen. Die coolen Sprüche würzt Guy Ritchie überdies mit einigen formal interessanten Darstellungsformen und filmtechnischen Spielereien - man könnte fast von einem individuellen Stil sprechen. Ein rasanter und vor allem amüsanter Film.

Leider erreicht "Snatch" nicht die Intensität des Ritchie-Erstlings. Der Film basiert auf demselben Erzählprinzip, bloß daß es diesmal um Diamanten und Boxkämpfe statt um Hanfstauden geht. Es verläßt einen einfach nie das Gefühl, all das schon sehr ähnlich in "Lock, Stock..." gesehen zu haben. Trotz der internationalen Besetzung kommt "Snatch" gefühls- und erlebnismäßig nicht über das bessere Mittelmaß hinaus. Der Film bietet zwar durchwegs gute Crime-Fiction; aber in der Welt von "Snatch" ist jeder einfach nur cool und abgedreht, und das grenzt an Realitätsferne.

Man hätte sich wahrscheinlich mehr erhofft. Vielleicht wurde vom großen Studio die Wiederholung des Erfolgsrezeptes ja auch gefordert, und Ritchie darf mit seinem nächsten Film "The Mole" interessanter werden. Wir werden sehen.

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