Spuren im Sand

In einem aufwendigen Filmessay versucht der österreichische Regisseur Kurt Mayer der schillernden Figur László Almásys habhaft zu werden. Ausgangspunkt für die eigene Reise auf historischen Spuren sind autobiographische Bezüge.

Bei Tag verschwimmt der Horizont der Wüste, und die Luftspiegelungen lassen den kilometerlangen Sand optisch zu Wasser werden. So irreal wie die endlosen Weiten der Wüste scheint heute auch die Figur des ungarischen Grafen Almásy, dessen pittoreskes Leben ihn als einen der letzten Vertreter einer ausgestorbenen Art präsentiert: ein echter "Abenteuer", der in der lybischen Wüste eine berühmt gewordene Höhle mit Zeichnungen von "Schwimmern" entdeckte; Jäger, Flieger, Buchautor - und durch seine Teilnahme als Söldner an Rommels Wüstenfeldzug möglicherweise gar Nazi oder Doppelagent, der durch einen britischen Geheimagenten vor der Verhaftung bewahrt wurde. Das ist der abenteuerumwehte Stoff, aus dem Helden geschnitzt sind - reif für eine Hollywood-Adaptierung, die Lebenausschnitte des Mannes im pathetischen Schmachtfetzen-Epos "Der Englische Patient" in goldbraune Bilder und eine melodramatische Liebesgeschichte verwandelte.

Das Interesse an der "realen" Figur dahinter begann schon in der Kindheit Kurt Mayers. Sein Vater Rudi, ein Wochenschau-Kameramann, begleitete Almásy 1929 auf einer seiner Expeditionen. Die Wiederentdeckung des ethnographisch interessanten Materials veranlaßte den Sohn, die Reise selbst noch einmal zu unternehmen - zu den großen Entdeckungen und Originalschauplätzen Almásys (und des Spielfilms) in Kairo, London und der libyschen Wüste. Die eigenen Reiseschilderungen und Betrachtungen verknüpft Mayer mit Originalaufnahmen von 1929, Briefen, Tagebuchstellen und Interviews von Zeitzeugen. Die zum Teil widersprüchlichen Aussagen verdeutlichen - frei nach Kurosawa - einmal mehr, daß Erinnerungen und somit auch historische Sichtweisen recht subjektiv sind, ebenso wie die darin verhandelte Wahrheit.

Die essayistisch angelegte Dokumentation entzaubert erwartungsgemäß den Hollywoodschen Mythos vom "Englischen Patienten" und verlangt dem Zuseher einiges an Konzentration und - ob der Länge und manchmal trockenen Aufbereitung - auch Sitzfleisch ab. Interesse an der Materie ist also Voraussetzung; beispielsweise für jene, die finden, daß die Wüste einer der faszinierendsten Orte der Welt und der Mensch a priori nicht dazu geboren ist, sein Leben in öden Bürojobs zu verbringen.

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