Kybernetischer Bastard

Es wird ein gutes Jahr für all diejenigen, die eine kunstvolle Verschmelzung kalter, maschineller Rhythmen mit analogen, verzerrten Gitarren zu schätzen wissen. Stabbing Westward, dkay.com (Nachfolgeband der "Krupps"), Zeromancer und die Farmer Boys wollen bis zum Herbst ihre neuen Werke veröffentlichen. Für sie alle ist dank des überragenden zweiten Albums von PAIN die Meßlatte sehr hoch gelegt.

PAIN ist ein Spielzeug des weltweit erfolgreichsten Produzenten derbster Metal-Spielarten (wie Black-, Death- oder Doom-), des Schweden Peter Tägtgren. Neben seiner Tätigkeit als Studiobesitzer ("The Abyss" in Stockholm) und als Songwriter der Band Hypocrisy hat er in den letzten drei Jahren vier seiner durchschnittlich 18 Stunden täglicher Arbeitszeit genutzt, um im Alleingang ein Dutzend Techno-Metal-Hymnen aufzunehmen. Das Ergebnis ist auf "Rebirth", seinem bisher reifsten und ambitioniertesten Album, zu finden. Anders als Bands wie Fear Factory, Frontline Assembly oder Think About Mutation, die sich entweder von der rockigen oder der elektronischen Seite aus dem jeweils anderen Ufer angenähert haben, hat PAIN den homogenen Sound gefunden, der dem Genre erst seine wirkliche Existenzberichtigung verleiht. War das 1998er-Debüt des Schweden, der PAIN nur live als Band auftreten läßt - sonst aber alles selbst komponiert, spielt und produziert - noch sehr experimentell und einfach zu sperrig, gefallen die Songs auf "Rebirth" auch melodiefixierten Freunden heftigerer Klänge. Die erste Singleauskopplung "End of the Line" enterte im Ace-of-Base-Staat gar für drei Wochen die Pole-Position in den Charts und erreichte in Deutschland den ersten Platz der Alternative-Charts. Der Track ist logisch aufgebaut, was sich sowohl auf das Songwriting als auch auf die Instrumentierung bezieht. Computer, Gitarre und Jekyll/Hyde-Gesangslinien des Peter Tägtgren treten in ein Zusammenspiel mit kybernetischer Wirkung, als wirke ein Zirpen erst durch die Akkordwand der Gitarre. So machen alle Songs auf "Rebirth" einen ausgereiften, ja fast erschreckend perfekten Eindruck; mit "Suicide Machine" und "She Whipped" finden sich noch zwei weitere potentielle Clubhits auf dem Album. "Rebirth" von PAIN hat jenen Techno-Sound übernommen, den man mit dem Vorbeigehen an einer illegalen Bunker-Location in einem Industriegebiet verbindet, und ihn mit einem Gitarrenklang kombiniert, der dem Jahr 2000 gerecht wird. Vor allem aber hat das Brachialgenie Tägtgren diesmal nicht versucht, seine Hörer durch die Hölle zu jagen, auch wenn man sich zeitweise dieses Gefühls nicht ganz erwehren kann. PAIN sind damit ein ganz großer, im Moment wohl DER Name des Electro-Metal-Crossovers geworden.

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Einfach Super...
(Emppu J., 21.11.2004 17:54)