Die Mär vom Drogenkrieg

Sie glauben das, was zum Thema Drogen in den Medien kolportiert wird? Machen Sie sich nicht lächerlich - und studieren Sie lieber eingehend den Oscar-Film "Traffic".

Der mexikanische Drogenpolizist Javier (Benicio Del Toro) geht an der Grenze zu den USA einer hoffnungslosen Aufgabe nach: In dem Bewußtsein, mit seinen Aktivitäten nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein zu sein, nimmt er mit seinem Partner immer wieder Drogenkuriere und deren Lieferungen hoch. Als er wieder einmal eine satte Lieferung Koks sicherstellt und die Kuriere verhaftet, stoppt ihn mitten in der Wüste ein Militärkonvoi. Der zwielichtige General Salazar (Tomas Milian) übernimmt kurzerhand Ladung und Gefangene - mit vorgehaltener Waffe und einigen bedrohlichen Fragen nach Javiers Informationsquelle.

In San Diego wird die harmlose, sich in Sicherheit wiegende Society-Dame Helena (Catherine Zeta-Jones) brutal auf den Boden der Realität gerissen, als ihr Mann als Drogenbaron verhaftet wird und sie mit ihren beiden Kindern vor dem Nichts zu stehen scheint. Beschattet von zwei Cops (Luis Guzman, Don Cheadle) und beraten vom schmierigen, nach ihr lüsternen Anwalt Metzger (Dennis Quaid), fällt sie die schwierige Entscheidung, nach Mexiko zu fahren, um mit dem dortigen Drogenbaron Obergon in Vertretung ihres Mannes neue Geschäftsbedingungen auszuhandeln - gebunden an die Bedingung, daß der einzige Kronzeuge gegen ihren Mann (Miguel Ferrer) ausgeschaltet wird.

Obergon allerdings lebt selbst äußerst gefährlich. Er gilt eigentlich als tot, hat in Wahrheit aber nur mit Hilfe plastischer Chirurgie sein Gesicht verändern lassen. Als Javier, der Drogenbulle von vorhin, im Auftrag General Salazars (der ihn inzwischen zu einem seiner engsten Mitarbeiter gemacht hat) die Geliebte Obergons (Salma Hayek) zum Anwesen des Bonzen bringt und dort Obergon lebend vorfindet, wird ihm klar, welches Spiel Salazar spielt: Der Militärgrande will den Obergon-Clan ausschalten, um das Tijuana-Drogengeschäft völlig unter seine Kontrolle zu bekommen. Javier läßt sich mit der CIA ein, um Salazar hochgehen zu lassen - ein überaus riskantes Spiel mit dem Feuer, das den sicheren Tod im Talon hat.

Unterdessen wird in Ohio der Richter Wakefield (Michael Douglas) aufgrund seines ultraharten Anti-Drogen-Kurses zum obersten Drogenbekämpfer der USA befördert. Was er nicht weiß: Seine minderjährige Tochter Caroline (Erika Christensen) ist selbst voll drauf - sie kifft, kokst, raucht Heroin und wird mit jedem Tag süchtiger. Als einer ihrer Drogenfreunde blau anläuft und sie ihn vor einem Krankenhaus abladen, erwischt sie die Polizei. Was für ein böses Erwachen für den Vater! Vorerst kann Caroline ihn überzeugen, daß sie selbst nichts nimmt; als aber herauskommt, daß sie süchtig ist, und ihr Vater sie in eine Entzugsanstalt steckt, flieht sie, taucht bei ihrem schwarzen Dealer unter, läßt sich von ihm besteigen, um im Gegenzug Stoff zu kriegen, und landet schließlich beim Anschaffen...

Die vielen Charaktere und Geschichten dieses Films verkörpern die vielen Details im Gesamtbild der amerikanischen Drogenmisere in bestechend umfassender Weise. Stephen Soderbergh,der zur Zeit wahrscheinlich wichtigste Regisseur überhaupt, taucht den Film in eine kalte, sachliche Atmosphäre. Nichts wird beschönigt oder übertrieben. An sich erzählt der Film seine Geschichten parallel, ohne daß sie sich kreuzen müßten. Aber weil das Studio es so wollte, überschneiden sich die Wege der Protagonisten dann doch immer wieder, was irgendwie unnötig und aufgesetzt wirkt. Ansonsten ist der Film aber nahezu perfekt. Vor allem die unheimliche Riege an Klasseschauspielern, allen voran der großartige Benicio Del Toro, der seinen Oscar für die Rolle des Javier sowas von verdient hat, sorgen für denkwürdige Unterhaltung auf höchstem Niveau. Ahnungslose Menschen, die lebenslängliche oder noch härtere Strafen für Drogendealer fordern, ohne auch nur den Ansatz einer Ahnung davon zu haben, wie weit und wohin die Wurzeln des Drogenproblems tatsächlich reichen, wird dieser Film tief in die Magengrube fahren - und hoffentlich die Augen etwas weiter öffnen.

Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.