Brzzl´n´Knack

Die Geschichte der elektronischen U-Musik ist eine Geschichte voller Mißverständnisse. Viele Menschen verstricken sich immer wieder in seltsame Diskussionen, ob vollsynthetisch generierte Sounds denn überhaupt Musik seien und die betreffenden Mischpult-Täter nicht lieber ein paar Gitarrestunden nehmen sollten.

Noch immer schwebt der Ungeist der Instrumentenfertigkeit über den Wassern der Popkultur und entlädt sich von Zeit zu Zeit in spitzen Schreien (Marke: "Laptop-Dreck") oder betroffenem Gejammer wie "seelenlose Maschinenmusik". Wer nun behauptet, die Verfechter der Saiten- und Schlaginstrumente wären eine Horde frustrierter Musiklehrer, gut durchwürzt mit verhinderten Superstars des Classic Rock, hat möglicherweise gar nicht so unrecht.

Doch jetzt zum eigentlichen Thema, nämlich dem Debütalbum von Jan Jelinek, erschienen auf ~scape records, dem Label von Stephan Betke, der unter dem Alias Pole mit seiner schlicht "1-3" betitelten Trilogie aufsehenerregende Klänge sehr unterhaltsam in Brzzl-Elektronik übersetzte. Mit Pole verbindet Jan Jelinek aber nicht nur das Label, sondern auch Elemente der Arbeitsweise und der Instrumentierung - wo Betke seine Knack- und Knister-Collagen mit dicken Baß-Teppichen im Dub-Muster erdet, beherrschen bei Jelinek zerfaserte Melodiefragmente im Loop die Szene. Auch die bei Pole oft fast endlos gedehnten Räume zwischen den Sounds werden bei Jelinek mit einem wesentlich dichteren Raster belegt; eine Schleife legt sich über die andere, verzahnt sich und verschwindet auch wieder. Beiden Künstlern gemeinsam bleiben das mehr als gelassene Tempo und das unausgesprochene Angebot, sich zu fragen, ob dieses Knistern nun arhythmisch war oder nicht - oder kam das gar vom Kühlschrank? Ebendieses, bei elektronischer Musik eher unsauber anmutende Knistern und Klicken macht aber einen Gutteil des Reizes aus - die eingebauten "Fehler" nehmen der Synthetik die Kühle und zeigen der landläufigen Schaltkreis-Perfektion den Stinkefinger.

Beinahe schon Ambient Music, wenn auch mehr "Intelligent Listening", bietet "Loop-Finding-Jazz-Records" kontemplative vollelektronische Heimbeschallung, die - je nach applizierter Aufmerksamkeit - als Sedativum wie als Ganglienmassage funktionieren kann.

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