Anarchie ist machbar, Frau Nachbar!

Busta Rhymes viertes Album trägt den vielversprechenden Titel "Anarchy", und das Cover zeigt das Lieblingssymbol der Punks. Hatte Busta kürzlich etwa eine Vision, wie man das Establishment stürzen und unsere Gesellschaft verbessern könnte?

Schon ein kleiner (zweiter) Blick aufs Cover zeigt, daß der MC anderes im Kopf haben muß als anarchistische Wunschträume, denn "bitches", "Allah, Lord of all worlds" oder Bustas selbstverherrlichende Egozentrik sind alles Dinge, die mit diesem politischen Ideal einfach unvereinbar sind.

So gesehen ist es gut, daß im Booklet keine Texte abgedruckt sind und nicht noch mehr solcher Widersprüche auffliegen. Doch schon das Intro zur CD verrät uns, daß Busta Rhymes nicht Propaganda für eine bessere Welt betreibt, sondern die bestehende kritisiert: Laut Wörterbuchdefinition (zumindest der auf dem Cover abgedruckten) bedeutet Anarchie "politisches und soziales Chaos, Verwirrung und Gewalt". Und in so einem Zustand, meint Busta, befinden wir uns.

Aber zurück zur Musik, denn schon der Wu-tang Clan hat gezeigt, daß man bei amerikanischem Mainstream-HipHop besser nicht auf den Text hört: "Anarchy" enthält 22 Tracks, ist also sozusagen ein echter Longplayer - und ein abwechslungsreiches New-School-Album. Busta Rhymes beweist wieder einmal sein Gespür für Musik, und zwar nicht nur dafür, wo sich HipHop gerade befindet, sondern auch, wohin er sich bewegt. Die Platte ist kein Abklatsch bereits dagewesener Musik, sondern eine echte Weiterentwicklung des Genres.

Jede Menge Gaststars sollen zur Vielseitigkeit der Platte beitragen. Sehr gut ist zum Beispiel die Nummer mit Ghostface Killa und Raekwon vom Wu-tang Clan, oder "Why We Die" mit Jay Z und DMX als Gast-MCs. Langweilig kommt hingegen "Make Noise" mit Gitarrero Lenny Kravitz daher - simples Name-dropping allein macht eine Platte halt nicht zur Nummer 1.

Die Länge und der Stilreichtum von "Anarchy" lassen den Verdacht aufkommen, daß Busta Rhymes es jedem recht machen möchte. Einige Stücke entpuppen sich beim zweiten Hinhören als Pausenfüller, und so drängt sich die Überlegung auf, ob es nicht besser gewesen wäre, die Platte zu kürzen und damit zu einem echten (durchgehenden) Hitalbum zu machen. Völlig überflüssig sind z. B. auch erwähntes Intro zum Anarchie-Thema samt dazugehörigem Outro oder das selbstverherrlichende "Salute Da Gods!!", in dem Busta sich von seinen Jüngern feiern läßt: "Ready for Busta Rhymes", heißt es im Refrain, "he´s the one we´ve all been waiting for, forever." Dabei fragt man sich, wie lange man selbst schon auf den "HipHop-Gott" gewartet hat...

Alles in allem ist "Anarchy" aber eine wirklich gute Platte, die so manchen Herbstnachmittag mit satten HipHop-Beats versüßen kann.

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