Schräger Polizistenalltag

Als Frau in der Mordkommission hat man´s nicht leicht. Wenn man dann noch den Fall der ermordeten Talkshow-Gäste übertragen kriegt, könnte man trotz guter Vorsätze die Nerven verlieren.

"Mimikry" ist ein Serienkiller-Krimi. Aus Deutschland. Von einer Autorin, die erst durch die Mitarbeit an halblustigen "Aldi-Kochbüchern" wirklich bekannt wurde.

Das schreckt Sie nicht ab? Gut so. Die Supermarktexpertin Astrid Paprotta hat es in "Mimikry" nämlich geschafft, den "Serial Thriller" auf eine völlig neue, realistische Ebene zu heben - und noch dazu einen deutschen Roman zu schreiben, in dem die handelnden Personen und deren Dialoge tatsächlich glaubwürdig wirken.

Paprottas Protagonistin heißt Ina Henkel und ist Polizeikommissarin in einer deutschen Großstadt, wo sie erst kürzlich von der Sitte zum Mord versetzt wurde. Sie ist relativ jung, kühl bis abweisend, hält sich einen vorbestraften Liebhaber aus dem Ex-Ostblock und findet Leichen in Wahrheit recht grauslich. Außerdem ist ihr Partner eine Plage und viel zu neugierig, während der Chef vor der Stadtverwaltung buckelt und von den Mitarbeitern verlangt, daß sie ihre Protokolle im politisch korrekten Stil ausfüllen.

Und dann beginnen die Morde. Erst ist es "nur" eine graue Maus, die sich wie für einen Besuch schön gemacht hat und dann grausam umgebracht wurde. Bald darauf tauchen aber andere Tote auf, ebenfalls "Versager" im Stadtleben, jene Typen halt, die Kontaktanzeigen aufgeben - oder dem deutschen Fernsehvolk in Talkshows ihr Leid aufdrängen. Das haben sie nämlich gemeinsam, die Opfer: sie waren Gäste in der Tränendrückersendung eines abgetakelten Showmasters, der jetzt am Nachmittag um Quoten kämpft.

Ina vermutet Zusammenhänge, verdächtigt abwechselnd den Talkmaster und den frauenfeindlichen Nachbarn des ersten Opfers, ermittelt auf eigene Faust, weil ihre Vorgesetzten und Kollegen nichts von einem Serienmörder wissen wollen. Daß sie dabei dem Täter ins Gehege kommt, ist zwar genreüblich, aber trotzdem Pech.

So wie die Autorin die langwierige, öde und oft fruchtlose Polizeiarbeit, aber auch die Gespräche und abgestandenen Witzchen zwischen den Beamten schildert, könnte man annehmen, sie habe selbst ein paar Wochen auf dem Revier und bei Einsätzen verbracht. Mag ja sein - doch für den Mörder in ihrem Roman hatte sie garantiert kein reales Vorbild. Denn diese Gestalt entspricht weder dem Klischee des genialen, dämonischen Serienkillers (à la "Schweigen der Lämmer" und "Seven") noch dem des degenerierten Perversen, der in einem Drecksloch voller makabrer Souvenirs haust. Nein, es handelt sich um einen gänzlich unscheinbaren Menschen von nebenan; und der Einblick, den sich Astrid Paprotta in die kranke Psyche und die Emotionen ihrer literarischen Figur verschafft hat, wirkt selbst auf abgebrühte Leser verstörend, weil plausibel und unausweichlich.

Lesen Sie dieses Buch - die Chancen, daß es für "Tatort" oder dergleichen verfilmt wird, sind mehr als gering. Gott sei Dank.

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Über die Autorin:
Astrid Paprotta lebt als freie Autorin in Frankfurt. Für ihren ersten Roman "Der Mond fing an zu tanzen" hat sie begeisterte Kritiken erhalten.