Kopfloses Meisterwerk

Mit "Sleepy Hollow" bringt Tim Burton einen Alptraum ins Kino, von dem man sich wünschte, er würde nie enden. Ein grausamer, unheimlicher Film voll wunderlicher Schönheit - mit einer Schauspielerriege allerhöchster Güte.

"The Legend Of Sleepy Hollow", ein Klassiker der US-Literatur von Washington Irving, diente als Vorlage zu Tim Burtons in den USA vielumjubeltem neuem Film. Das Buch erzählt eine Gruselgeschichte, angesiedelt im Jahr 1799, als New York bereits halbwegs zivilisiert war, der Rest des umliegenden Landes aber noch von Wölfen durchstreunt wurde und ohne gepflasterte Straßen auskommen mußte.

Burton wollte seinen Film auch als Ehrerbietung an die alten Hammer-Filme der 60er Jahre verstanden wissen. Die Cameos von Christopher Lee und Martin Landau tragen dazu ebensoviel bei wie die unglaublich atmosphärischen Sets. Finstere Herbstwälder voll knorriger Bäume, durchzogen von dicken Nebelschwaden, mittendrin eine präindustrielle Siedlung mit bedrohlich massiven Landhäusern und Menschen, denen das harte Leben im rauhen Klima deutlich anzusehen ist - das ist Sleepy Hollow, ein abgelegenes Nest, in dem unlängst drei Menschen ermordet wurden; man hat ihnen die Köpfe abgeschlagen. Beauftragt, diese Verbrechen aufzuklären, reist Inspektor Ichabod Crane (Johnny Depp) in das Dorf. Crane ist ein junger Gerichtsmediziner, überzeugt von den Methoden der Wissenschaft; er baut sogar seinen eigenen chirurgischen Geräte. Die Geschichte, die ihm die Dorfoberen bei seiner Ankunft erzählen, läßt ihn dann aber doch ganz schön schlucken. Für die steht der Mörder nämlich fest: Es ist der fürchterliche "kopflose Reiter" ("Headless Horseman"). Einst ein wilder, erbarmungsloser Schlächter, der immer dort auftauchte, wo gekämpft wurde, um die Köpfe rollen zu lassen, ist er aus der Hölle zurückgekehrt, um seinen eigenen Kopf - der, so vermuten die Dorfweisen, aus dem Grab gestohlen wurde - zurückzufordern.

Anfangs kaum beeindruckt von derlei Hexengeschichten, macht sich Crane ans kriminalistische Werk. Aber schnell muß er einsehen, daß der kopflose Reiter (absolut umwerfend: Christopher Walken) Realität ist. Überhaupt spukt und hext es in und um Sleepy Hollow ganz gewaltig. Sogar die Tochter seines Hauswirtes (bezaubernd: Christina Ricci) scheint die Magie zu beherrschen. Und auch wenn Crane sich zu ihr hingezogen fühlt, ist sie doch eine seiner Hauptverdächtigen.

Zu den ursprünglichen drei Ermordeten gesellen sich bald immer mehr kopflose Leichen, und schließlich entdeckt Crane hinter dem gräßlichen Walten der finsteren Mächte eine Verschwörung, bei der es wie immer um Geld geht, aber auch um den Kampf zwischen weißer und schwarzer Magie und um Rache für einst erfahrenes Unrecht...

Burton übertrifft sich bei der Konstruktion seiner Schauplätze am Rande des Industriezeitalters selbst; gleiches gilt für die Glanzleistungen der darin agierenden Schauspieler. Durchzogen von Szenen extremer Gewalt an der Grenze zum Splatter, verströmt "Sleepy Hollow" ein zutiefst romantisches Flair - geheimnisvoll, schaurig schön und von zeitloser psychologischer Tiefe. Höchstwahrscheinlich Burtons bisher bester Film.

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