Kaffeehaus meets World meets Groove

Daß immer noch von einem musikalischen Vienna-Hype gesprochen wird, ist eine sträfliche Verkennung der Tatsachen. Seit Jahren verläßt kontinuierlich eine Top-Produktion nach der anderen die hiesigen Wohnzimmerstudios. "Freaks & Icons", das erste Album von dZihan & Kamien, fällt nicht nur in diese Kategorie, sondern ragt sogar noch heraus.

Betrachtet man das gegenwärtig trendige und verkaufszahlenfreundliche Feld der sogenannten Nu Grooves und versucht, die dem ganzen zugrundeliegende Natur - quasi die musikalische DNS - zu erfassen, so steht man vor einem altbekannten Problem: wie eine etwaige Kategorisierung ist die Musik recht diffus. An allen Enden und Ecken werden Elemente gefladert (die korrekte Bezeichnung wäre Eklektizismus), zusammengesetzt, verändert und vermengt. Aber weil der Mensch (oder zumindest eine statistisch signifikante Mehrheit) nun einmal seine Schubladen braucht, um kommunizieren und sich verständlich machen zu können, endet der Versuch, Etiketten zuzuordnen, meist in mehr oder minder cool klingenden Verzweiflungstaten (die Pionierarbeit hat der intellektuell anspruchsvolle Musikjournalismus geleistet, der ja, wie jeder andere auch, seine Existenzberechtigung braucht). Da hat man sie nun, all die Up-, Down- und Dope-Beats, die Jazz-Fusion, den Nu Funk, Electro A bis Z, usw. usf. Absolut klar und verständlich für den, der sich auskennt, totales Unverständnis bei jenen, die nicht. Allein durch die Attitude, den Vibe der Musik, läßt sich so etwas wie eine "Familienzugehörigkeit" festmachen. Nur: genau festmachen kann man die klarerweise ebensowenig.

Dieses eindeutige, wenn auch undefinierbare Umfeld ist der Spielplatz von dZihan & Kamien. Das polyglotte Duo - zu 50 Prozent aus Sarajewo, die andere Hälfte aus der Schweiz, mit gemeinsamem Arbeitsplatz in Wien - versetzte schon vor einiger Zeit die ortsansässigen Musikfreunde mit ihrem multikulturellen Electro/HipHop-Projekt MC Sultan in helle Aufregung. Ihr erstes als Duo produziertes Album "Freaks & Icons" könnte den nächsten Schritt darstellen - hinaus aus Wien, über die Grenzen, in die Clubs, Cafés und Wohnzimmerkompaktanlagen dieser Welt. Das Potential ist da.

Der Sound von dZihan & Kamien braucht sich nicht zu verstecken. Meisterhaft eklektisch zusammengewürfelt, wandern ihre Tracks anschmiegsam durch die Gehörgänge, ohne aber ihre Form zu verlieren; sind zivilisiert und kosmopolitisch, ohne steif und vorhersehbar zu sein; erweisen sich als voll mit "Welt-Sounds", ohne den bitteren, schalen Nachgeschmack der Political Correctness anzunehmen. Östliche Klangwelten arbeiten hier partnerschaftlich mit westlicher Halbleitertechnologie zusammen. Schischa und iMac im Wiener Kaffeehaus als Vorzeigebeispiel für Europa und den Ballhausplatz (für Nicht-Österreicher: die Arbeitsstätte des Bundeskanzlers), wie eine Wertegemeinschaft aussehen könnte - vor allem, weil dZihan & Kamien etwas nicht tun: sich selbst allzu ernst nehmen. Somit sind Verwechslungen mit der altbekannten Ethno/Welt/Multikulti-Tu-Gut-Gesinnung dezidiert ausgeschlossen. Ein Vorschlag am Ende: Wir machen es wie mit Beethoven und erklären dZihan & Kamien zu Österreichern, ob sie wollen oder nicht.

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