Ein veritabler Tschaikowsky-Verschnitt

Die Deutsche Grammophon hat "endlich" eine CD mit Werken des russischen Meisters herausgebracht, die bereits in den Jahren 1994-96 aufgenommen wurden. Doch ein wahrer Glücksfall ist die Produktion sicher nicht...

Will man sich die Mühe machen und in Plattenkatalogen nach diversen Kompilationen mit den auf dieser CD enthaltenen Werken suchen, so landet man garantiert bald im dreistelligen Bereich. Dabei hätten diese Kompositionen mehr verdient, als bloß ein Punkt in der Statistik zu sein.

Tschaikowskys Musik gehört mit Sicherheit nicht zu Abbados großen Stärken. Die Stücke auf dieser Aufnahme klingen kontur-, saft- und kraftlos und sind ohne besondere Dynamik. Am besten hört sich bei ihm noch die symphonische Phantasie "Der Sturm" an. Hier schafft es der Dirigent, das Musikgebilde perfekt aufzubauen und Shakespeares Werk bildhaft "nachzuerzählen". Da das Stück zudem überaus selten gespielt wird, hat Abbado natürlich noch den Vorteil, daß kaum Vergleiche möglich sind - außer mit seiner älteren Aufnahme auf Sony mit dem Chicago Symphony Orchestra.

Vergleiche mit den anderen drei Werken gibt es hingegen zuhauf - und die fallen für Herrn Abbado und seine Berliner nicht günstig aus. Der "Slawische Marsch" ist von der Tempowahl her gut, aber sonst völlig uninteressant. Die "Romeo und Julia"-Ouvertüre klingt sehr breit und hat wenigstens einige schöne lyrische Momente. Die "1812"-Ouvertüre läßt zwar die berühmten Kanonenschläge im Finale ertönen, ansonsten jedoch fast alles an Raffinesse und Inspiration vermissen.

Aber eines haben alle Stücke (angeblich) gemeinsam: das Orchester, dessen Chef früher Karajan war. Hat man die Berliner mit ihm gehört, dann wußte man, was Saft und Kraft ist; unter Abbado sind sie leider völlig verweichlicht. Man könnte fast glauben, daß der Dirigent und seine Musiker Angst vor Lautstärke und großer Dynamik haben. Die vorliegende Aufnahme ist also insgesamt ein eher belangloses Vergnügen.

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