Einsame Kämpfer

Michael Manns eleganter Edel-Thriller "Insider" wandelt auf den Spuren von "Die Unbestechlichen" und dem "China-Syndrom" - eine spannende David-gegen-Goliath-Variante, angesiedelt auf höchstem Niveau.

Dr. Jeffrey Wigand (Russell Crowe) ist einer der führenden Wissenschaftler des drittgrößten amerikanischen Tabakkonzerns Brown & Williamson. Im Zuge seiner Forschungsarbeiten entdeckt er Ungereimtheiten, die die Herstellung des allseits beliebten Suchtmittels Nummer eins betreffen, und wird daraufhin kurzerhand entlassen. Auch setzt ihn sein ehemaliger Arbeitgeber mittels einer Verschwiegenheitsklausel stark unter Druck: Mit Unterfertigung dieses Dokuments verpflichtet sich Dr. Wigand, sämtliche Informationen, die sein früheres Betätigungsfeld betreffen, streng vertraulich zu behandeln und damit auch über die dubiosen Machenschaften des Konzerns Stillschweigen zu bewahren. Von Gewissensbissen geplagt, setzt sich Wigand mit dem CBS-Korrespondenten Lowell Bergman (Al Pacino) in Verbindung. Mit seiner Hilfe will er an die Öffentlichkeit gehen...

Mit dem "Insider" plaziert Michael Mann ("Heat", "Manhunter") ein meisterhaft inszeniertes Stück Kino in eine von Spezialeffekten zerfressene Filmlandschaft. Entgegen dem aktuellen Trend, Filmproduktionen mit kostspieligen Computertricks und ausufernden Live-Action-Sequenzen zu überfrachten, präsentiert er uns ein stellenweise düsteres, bewegendes Drama, dessen emotionale Intensität schlichtweg beeindruckt; eine Kreuzung aus spannungsgeladenem Thriller und menschlicher Tragödie. Eingebettet in ein komplex strukturiertes Storygewand, läuft das hochkarätige Schauspielerensemble, angeführt von Newcomer Russell Crowe, zur famosen Höchstform auf. Zwanzig Kilo über seinem Normalgewicht und mit grau gefärbtem Haar zeigt uns Crowe einen unsicheren, in sich gekehrten Moralisten, der bereit ist, für seine Überzeugung größte Risiken einzugehen. Dabei verbindet er geschickt das biedere Erscheinungsbild des Hauptcharakters mit dessen tief verwurzeltem Sinn für Integrität, der ihn so sympathisch macht - der perfekte Antiheld also. Einen gelungenen Kontrast zu ihm bildet ein (wie immer vor Energie berstender) Al Pacino in der Rolle des Starjournalisten Lowell Bergman. Als Jeffrey Wigands Leben zunehmends einem Trümmerfeld gleicht, wird Bergman zu seiner letzten Hoffnung. Herausragend ist auch die Leistung des Veteranen Christopher Plummer: Als Journalismuslegende Mike Wallace beherrscht er die Szenerie in praktisch jedem einzelnen seiner Auftritte. Philip Baker Hall, Bruce McGill und Gina Gershon tragen mit ihrem starken Spiel ebenfalls zum Gelingen des Streifens bei. Das Drehbuch strotzt nur so vor inbrünstig geführten Dialogen - eine Schlacht der Worte und Paragraphen. Und obwohl die Spieldauer stolze 151 Minuten beträgt, kann das hohe Niveau über die gesamte Distanz hinweg aufrecht erhalten werden.

Auch von der technischen Seite gibt es ausschließlich Positives zu vermerken. Dante Spinottis Kameraarbeit ist makellos (von langen, ruhigen Schwenks bis hin zur realistisch-hektischen Handkamera werden hier alle Register gezogen). Der exotische Soundtrack zielt geschickt auf die Emotionen des Zuschauers und erzeugt stellenweise ein geradezu erhebendes Gefühl.

Perfektionist Michael Mann verfilmte mit "Insider" eine wahre Geschichte. Nach jahrelanger Vorbereitung (in enger Zusammenarbeit mit den realen Protagonisten) drehte er einen Film, der wie ein Leuchtturm aus dem Kino-Einheitsbrei herausragt - ein wahres Vorzeigeprojekt in Sachen Aufbau, Charakterentwicklung und Storytelling.

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