Pole Position

Kaum ein Game wurde in den letzten Jahren so gepusht wie "Gran Turismo 3" für Sonys Edelkonsole. Schon seit Monaten geistern immer neue Screenshots von unglaublichen Graphikorgien, die angeblich in "GT3" ablaufen sollen, durchs Internet. Das Endprodukt übertrifft selbst die kühnsten Erwartungen - zumindest teilweise.

"GT WHO?" Dieser zynische Spruch stand auf dem Nummernschild eines Autos, das in der Werbung für das Dreamcast-Spiel "Metropolis Street Racer" auftauchte. Nun haben die Jungs von Polyphony Digital, der Herstellerfirma von "Gran Turismo 3 A-spec", in beeindruckender Weise auf diese Frage geantwortet. All jene, die heimtückisch auf eine Riesenenttäuschung gewartet haben, erleben jetzt wirklich eine. "GT3" ist nämlich DAS Rennspiel - und zwar nicht nur für die PS2, sondern für alles, worauf gespielt wird. Es gibt technisch nichts Besseres als diesen Racer.

Niemals zuvor hat man in einem Rennspiel eine derartige Graphikorgie gesehen. Der Vorsprung von "GT3" auf die Konkurrenz ist vergleichbar mit dem damaligen Erscheinen von "Wing Commander" für den PC oder "Shenmue" für die Dreamcast. Eine schier unglaubliche Anzahl von Polygonen, die für jedes Automodell verwendet wurden, läßt die Fahrzeuge ultrarealistisch erscheinen. Licht- und Schatteneffekte, Spiegelungen, Nebel und Regen, Hintergründe und Rennstrecken, die man sich im richtigen Leben wünschen würde - die Graphik von "GT3" ist einfach unglaublich. Umso beeindruckender ist die konstante Framerate, die das zwangsläufige Auftreten von Slowdowns doch ziemlich stark vermindert.

Mehr als 150 amerikanische, japanische und europäische Flitzer stehen im dritten Teil der Erfolgssaga zur Auswahl. Alle wurden bis in kleinste Detail nachkonstruiert und sogar mit eigenen, charakteristischen Motorengeräuschen ausgestattet. Der Sound besticht außerdem noch durch geniale Tracks von Stars wie Papa Roach, Snoop Dogg, Raekwon oder Lenny Kravitz. Alles in allem ist "Gran Turismo 3 A-spec" technisch schlicht und einfach die erhoffte "killer application", die vor allem die europäische PS2 bislang so schmerzlich vermissen ließ.

Aber... Nach einer derart euphorischen Einleitung muß ja fast zwangsläufig ein "aber" kommen - auch wenn einen deshalb mancher für verrückt halten wird: "GT3" ist ein Paradoxon. Auf der einen Seite hat das Game einen immensen Suchtfaktor. Wenn man es gerade nicht spielt, überlegt man, wo man bei der letzten Lizenzfahrt vielleicht noch ein paar Hunderstelsekunden herausschinden hätte können oder welches Tuning man seinem Mercedes als nächstes verpassen soll. Irgendwann kommt dann der Gedanke über die nächste Rennserie, die einen im Spiel erwartet - und schon sitzt man wieder vor der PS2 und dreht seine Runden.

Und plötzlich passiert es: "GT3" wird langweilig - und zwar während einiger, leider nicht gerade weniger Rennen. Besonders tödlich für den Spielspaß sind die "Championships", die aus zehn Rennen bestehen und bei denen man insgesamt so an die 70 Runden drehen muß. Irgendwann hat man sich nämlich an der Graphik satt gesehen und wünscht sich ein bißchen Abwechslung. Genau die fehlt aber bei "Gran Turismo 3".

Dieses Defizit ist vor allem auf die bescheidene AI der Computergegner zurückzuführen. Wer sich einmal die Zeit nimmt, ein bißchen hinter den Jungs herzufahren, wird bald bemerken, daß sie offensichtlich alle vorprogrammierte Fahrspuren haben. Sind sie einander dabei im Weg, so rammen sie den Gegner von der Strecke und machen nicht einmal den Ansatz eines Ausweichmanövers. Außerdem verpatzen sie mit 90prozentiger Sicherheit die gleichen Kurven immer wieder auf die gleiche Art. Um es kurz zu machen: Die Computergegner sind nur in der ersten Phase eines Rennens eine Herausforderung. Fährt man in einem auch nur halbwegs passablen Auto einen brauchbaren Fahrstil, dann sieht man sie so gut wie nie, weil man ihnen schon in der ersten Runde einige Sekunden abgenommen hat.

Und wenn man endlich seine 10 mal 15 Runden abgespult hat, landet man in der nächsten Serie. Dort besteht die einzige Abwechslung darin, daß man nun 10 Rennen à 20 Runden drehen darf; usw. usf. Dazu gibt´s noch die "Endurance"-Rennen, die allerdings noch länger dauern.

Damit jetzt keine falschen Schlüsse gezogen werden: "GT3" ist definitiv das, was die marode PS2 gebraucht hat. Wer das bisher beste Rennspiel besitzen will, kommt nicht an "Gran Turismo 3 A-spec" vorbei. Mehr Abwechslung hätte dem Game allerdings sehr, sehr gut getan - vor allem, wenn man bedenkt, daß die meisten Spieler schon die ersten zwei Teile bis zur Bewußtlosigkeit gespielt haben werden.

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absolut richtig
(Klaus H., 27.07.2001 18:24)