Keine Chance für die Liebe

Trash ohne Charme ist erbärmlich. Hierin erreicht dieses lieblose Tränendrücker-Märchen à la "Love Story" einen neuen Tiefpunkt. "Sweet November" beeindruckt durch eine belanglose Geschichte, gepaart mit keinerlei schauspielerischer Leistung.

Es ist ja nichts gegen Emotionen, Pathos, gefühlsintensive Melodramen, herzzerreißende Momente und lebensbejahende Messages im Kino einzuwenden. Wenn diese Ingredienzen aber stillos zu Machwerken wie "Sweet November" verramscht werden, in denen sich abgeschmackte Sätze und pseudoromantische Versatzstücke aus dem Hedwig-Courths-Mahler-Fundus die Hand reichen - dann schon!

Voll aus dem Leben gegriffen sind vor allem die Protagonisten: Nelson Moss (Keanu Reeves) ist ein junger, smarter, Mercedes-fahrender Werbegott, ein Workaholic, der nur lebt, um zu arbeiten und chice Anzüge zu tragen, und keine Zeit für echte Beziehungen und Freunde hat. Durch Zufall lernt er die junge, unkonventionelle Sara Deever (Charlize Theron) kennen, die sich nicht nur penetrant in sein Leben drängt, sondern ihm einen ungewöhnlichen Deal offeriert: Er soll einen ganzen Monat mit ihr verbringen, in dem sie sich ihm völlig hingibt; als Dank "heilt" sie ihn und hilft ihm aus seinem unglücklichen Dasein.

Wir erfahren, daß Sara schon mehrere solcher Arrangements erfolgreich abgewickelt hat und ihre Liebhaber nach den Monaten benennt. Folglich ist Nelson "November" und nimmt das Angebot an, als er jäh Job und Freundin verliert. In Saras Wohnung - orientalisch angehaucht - lernt der toughe Yuppie eine neue Welt kennen und findet zurück zu den einfachen, natürlichen, aber essentiellen Freuden. Das pralle Leben, das sind weiße Pudel, Schoßhündchen, vegane Kochrezepte, Transvestiten (jede Frau braucht einen schwulen Freund), Sex und Grunge-Schlabberlook. Die schlechte, entfremdete Existenz sind Computer, Fernseher, Handys, Armbanduhren, Designerklamotten und viel Kaffee. Doch diese Dinge läßt Nelson über der Fülle der ausgelassenen, authentischen Erfahrungen - Fangenspielen mit verbundenen Augen und als Höhepunkt das obligate gemeinsame Schaumbad - immer mehr hinter sich und verliebt sich heftig.

Der geeichte Cineast aber ahnt schon von Beginn an, daß mit dem seltsamen Verhalten der schönen Freigeistin - sie kocht und putzt gerne und ist immer gut gelaunt - etwas nicht stimmen kann. Und wirklich: Eines Tages erkennt Nelson die schreckliche Wahrheit hinter der Idylle, die sich an einem magischen Ort in San Francisco abspielt, wo die Nachbarn Al und Osiris heißen oder eben Drag Queens sind, und man einsame hochbegabte Kinder an jeder Straßenecke findet.

Das Schlimmste sind nicht die putzigen, hippiesken Tableaus, die eine kranke Phantasie entworfen haben muß, sondern die Lieb- und Leblosigkeit, mit der sie abgespult werden. Keanu Reeves ("Point Break", "The Matrix"), oft zu Unrecht wegen seiner Ausdruckslosigkeit verrissen, führt hier den Begriff "hölzern" in ungeahnte neue Dimensionen, die ab und an fast für Heiterkeit sorgen. Zugute halten muß man ihm allerdings, daß er öfters so wirkt, als würde er sich für den Film genieren. Ganz im Gegensatz agiert leider Charlize Theron ("The Astronaut´s Wife"). Unsympathisch überschwenglich macht sie einen auf laienhafte Cameron Diaz, und es ist nicht nachvollziehbar, warum sich Fremde überhaupt mit ihr einlassen sollen. Die Botschaft "Lebe den Augenblick" wird mit einer enervierenden Plattheit dargereicht.

Und nach langen quälenden Minuten entdecken der Film und Nelson viel zu spät Herz oder Seele und gießen kübelweise abgestandenen Pathos über den hilflosen Zuseher aus, wobei sich Regisseur Pat O´Connor ("Inventing the Abbots") beim Remake eines weitgehend unbekannten Streifens von 1968 besonders unlauterer Mittel (siehe "Love Story") bedient und mit Rückblenden im Stil einer SAT1-Eigenproduktion aufwartet. Allerdings: Die große Liebe, knisternde Erotik oder Leidenschaft keimt zwischen dem lustlosesten Liebespaar aller Zeiten nie auf. Selbst dann nicht, als Reeves seiner Angebeteten eine Clownsperücke und einen Geschirrspüler schenkt. Aber dann hat das Grauen zum Glück wenigstens bald ein Ende!

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