Stars in der Manege

"You’ve heard of Oxford Circus; you’ve heard of Piccadilly Circus; and this is the Rolling Stones Rock and Roll Circus, and we’ve got sights and sounds and marvels to delight your eyes and ears; and you’ll be able to hear the very first one of those in a few moments."

Es war ein Ereignis, das in die Rock-Geschichte eingehen sollte - etwa so bedeutend wie das Abschiedskonzert der Beatles am Dach des Apple Building und musikalisch um einiges besser als der Großteil dessen, was sich in Woodstock abspielte: The Rolling Stones Rock and Roll Circus, ein Spektakel, das am 10. und 11. Dezember 1968 von der BBC aufgezeichnet wurde. In einer im TV-Studio aufgebauten Manege traten Tiger, Clowns, Liliputaner und Jongleure neben den in phantasievolle Kostüme gehüllten Superstars der damaligen Musikszene - u. a. The Who, John Lennon und Eric Clapton - auf. Mick Jagger hatte eingeladen, und sie alle kamen. (Schließlich wohnten die meisten von ihnen auch nicht weiter als eine Stunde von London entfernt.)

Da die Sendung aus verschiedenen Gründen (einer davon war, daß die Stones mit ihrem Auftritt nicht zufrieden waren) nie ausgestrahlt wurde, wußten bis heute nur eingefleischte Fans und Bootleg-Sammler der damals auftretenden Bands von dieser musikalischen "Extravaganza". Jetzt wurde der ganze Zirkus, inklusive Band-Ansagen und einem köstlichen Dialog zwischen Jagger und Lennon, endlich auf CD veröffentlicht - auf die Filmaufzeichnung müssen wir wohl noch warten.

Als erste Darbietung trat der haarige Geselle Ian Anderson mit seinen damals noch wenig bekannten Jethro Tull auf; und sofort wurden die geladenen Teenager im Publikum unruhig, weil sie es kaum abwarten konnten, ihre Idole zu sehen. Sie wurden nicht enttäuscht. Nach einer Nummer der Who trat Taj Mahal mit seiner Bluesband auf, gefolgt von Marianne Faithfull, der damaligen Geliebten Mick Jaggers, und schließlich dem absoluten Höhepunkt der Veranstaltung: der "Supergroup" mit dem erfundenen Namen The Dirty Mac, der John Lennon, Gitarrengott Eric Clapton, Rolling Stone Keith Richards sowie Mitch Mitchell, der Drummer der Jimi Hendrix Experience, angehörten. Anschließend durfte auch Yoko Ono ein bißchen von ihrem Geschrei zum besten geben, bevor die Gastgeber mit sechs Nummern den Abschluß machten. Und obwohl man die Stones live schon besser gehört hat, zeigten sie auch bei diesem Auftritt, daß sie das Zeug zur Unsterblichkeit hatten (hätten sie nur irgendwann Anfang der 80er Jahre aufgehört!) und daß "Sympathy for the Devil" einer der besten Rocksongs aller Zeiten ist.

Kurz und gut: The Rolling Stones Rock and Roll Circus sollte - wenn man sich für die „wahren“ Sixties vor dem Großangriff langweiliger Hippies interessiert - in keiner Plattensammlung fehlen. Schließlich dokumentiert dieses Werk, wie der Musikjournalist David Dalton so schön schreibt, "den kurzen Augenblick, in dem es so schien, als würde der Rock’n’Roll die Welt erobern".

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