Punk-Nachhilfe

Zuerst die schlechte Nachricht: Die Sex Pistols haben sich wiedervereinigt. Das ist zwar nicht ganz so bedrohlich wie die Wiedervereinigung Deutschlands, aber trotzdem genauso unnötig.

Bis vor einem Jahr behauptete John Lydon alias Johnny Rotten zwar in Interviews noch steif und fest, daß die Pistols nie wieder zusammen auftreten würden, aber irgendwann war der Lockruf des Geldes anscheinend doch unwiderstehlich. Vor ein paar Monaten kündigte Rotten die Reunion in aggressiven Pressekonferenzen an („Wir haben ja auch das Recht, nach 20 Jahren endlich einmal an Punk zu verdienen, ihr Wixer!“), diesen Sommer fand die Tournee statt – und postwendend erschien das Konzertalbum Filthy Lucre Live. Nun denn: Einerseits gönnt man es den „No Future“-Legenden natürlich, daß sie Geld machen (anstatt des notorischen Hochstaplers Malcolm McLaren), andererseits gehen sie jetzt natürlich den Weg der Bands, vor denen sie uns immer gewarnt haben – nämlich jener widerlichen „Monsters of Rock“-Supergroup-Pensionisten, die auch nach Jahrzehnten noch Teil der Jugendkultur sein wollen. Der Pluspunkt von Filthy Lucre: Johnnys neue Frisur (Marke Eraserhead). Der Minuspunkt: sie können wirklich nicht spielen – und das hört man erst jetzt so richtig, da die wütende Energie verschwunden und folglich die Luft heraußen ist. Und ohne den Berufsirren Sid Vicious macht die Sache eigentlich keinen Spaß mehr …

Dann die gute Nachricht: Rechtzeitig zur Reunion hat die Plattenfirma das klassische Debüt der Pistols, Never Mind The Bollocks – Here’s The Sex Pistols, neu veröffentlicht. Geballter, hochkonzentrierter, revolutionärer Rock’n’Roll, der noch heute genauso in die Luftgitarrenhände und Pogobeine fährt wie damals. Als Bonus findet sich im Doppel-CD-Pack das frühere Bootleg Spunk mit Live-Aufnahmen und Demos der Sexpistolen. Sollte in keiner Musikbibliothek fehlen.

Und jetzt zu etwas ganz anderem: Wirkliche Fans brauchen natürlich ein echtes Bootleg und greifen daher zu Kill the hippies – schon allein wegen des Titels, der 1996 ebenso aktuell ist wie 1978. (Wer’s nicht glaubt, der gehe in Wien am Spittelberg spazieren …) Auf der CD ist ein Konzert aus der US-Tournee der Pistols zu hören, das am 5. Jänner 1978 in der Great Southeast Music Hall in Atlanta, Georgia, aufgenommen wurde. Kurz danach löste sich die Band ja bekanntlich auf, was dem Geiste des Punk viel mehr entsprach als The Great Rock’n’Roll Swindle und anderer Unfug, der von Geschäftemachern nachgeschossen wurde. Die Tonqualität ist erträglich, am Cover gibt’s hervorragende Photos von Rotten & Vicious – und plötzlich kann man so tun, als hätte es die Wiedervereinigung nie gegeben.

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