Denken bringt nix, ficken schon

Cédric Kahns Liebesdrama "L’Ennui", dessen deutscher Titel "Meine Heldin" voll danebengeht, ringt dem Zuseher entweder Verständnis ab - oder läßt ihn sich im Kinosessel winden.

Seit seiner Scheidung vor sechs Monaten hat Martin (Charles Berling) keinen Sex mehr gehabt - bewußt, denn die Sexualität macht den Mann nach seiner derzeitigen Überzeugung zu einem hirnlosen, triebgesteuerten Tier. Dadurch hat er sich ein gewaltiges soziales Manko eingehandelt; er kann nicht stillsitzen, nicht allein sein, keine Leute ertragen - und er ist einsam und ständig nervös. Als Martin zufällig einem alternden Künstler über den Weg läuft und wenige Tage später in dessen Wohnung feststellt, daß der Mann mittlerweile verstorben ist, lernt er das Lieblingsmodell des Künstlers kennen: Cécilia (Sophie Guillemin), die nicht nur für allerlei pornographische Porträts Modell gestanden hat, sondern auch die Geliebte des Maler-Opas war. Der pummelige, wenig attraktive Teenager läßt sich von Martin ausfragen, und wie selbstverständlich landen die beiden im Bett. Eine Beziehung ergibt sich.

Nun ist Cécilia eigentlich das, was man sich als Nemesis der Erotik vorstellt: ausdrucksloses Gesicht, Rubensfigur, Pickel und der Intellekt einer Tube Gleitmittel. Ihr sexueller Appetit kennt allerdings keine Grenzen. Jeden Tag will sie es machen, möglichst mehrmals. Und Martin ist voll dabei. Bald aber ist ihr Martin nicht mehr genug, und sie lacht sich nebenbei auch einen Jüngeren an. Martin wird fast verrückt vor Eifersucht. Doch er läßt sich alles gefallen, weil er Cécilia mittlerweile hörig ist. Und Cécilia - die denkt nicht lange darüber nach; tatsächlich denkt sie überhaupt nicht. Sie geht strikt und schnurgerade dem nach, was sie gerade verspürt, worauf sie Lust hat - alles sehr spontan und ziemlich ungerührt, mit der typischen Brutalität eines Teenagers. Martin wird unterdessen immer gesellschaftsunfähiger...

Ein erbärmlicher Wurm ist dieser moderne Professor Unrat, und seine dicke, kleine Bettgenossin verkörpert das weibliche Böse, dem man nicht einmal einen Vorwurf machen kann, weil es immer offen und ehrlich zu seiner unbewußt entstehenden Schädlichkeit steht. Emotional und psychologisch gefestigte Männer werden sich im Kinosessel winden, weil Martins Dummheit und Unfähigkeit zur Selbstkontrolle dermaßen weit gehen, daß es kaum auszuhalten ist. "L’Ennui" ist definitiv ein Film, der starke emotionale Reaktionen im Publikum auslöst. Das muß aber nicht immer positiv sein. Der Film entfacht sowohl frauen- als auch männerfeindliche Gefühle - er ist absolut misantrophisch und stellt Beziehungen sowie Sex als psychologische Folterfallen dar.

"Meine Heldin" stammt übrigens aus dem Jahre 1998, kommt aber erst jetzt ins Kino, weil die pornographisch angehauchten Kunstfilme zur Zeit schwer in Mode sind. Na ja.

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