Ein Alterswerk am Spitzenplatz

Claudio Abbado hält sich an die Tradition Herbert von Karajans, für die zu den Osterfestspielen einstudierten Opern schon vorab einen Tonträger in Berlin zu produzieren. Heuer ist Giuseppe Verdis "Falstaff" - das letzte Werk des großen Komponisten - an der Reihe.

"Falstaff" ist die sowohl interessanteste als auch am schwersten aufführbare Oper des italienischen Meisterkomponisten. Sie verlangt eine durchgehend exquisite Besetzung, wobei eigentlich jede Rolle insofern "undankbar" ist, weil die ganze Oper auf tiefsinnige Kunst und nicht Effekthascherei ausgerichtet ist. In diesem Werk finden sich auch keine langen Musikstücke und Kantilenen, sondern eher Sequenzen von kurzatmigen Musikstücken, die nur im ganzen einen Sinn ergeben.

Claudio Abbado, dessen Gesundheitszustand einigermaßen angegriffen scheint, nähert sich dem Werk mit tiefgründiger Leichtigkeit und Schmiß. Die Berliner Philharmoniker folgen ihm auf jeden Fingerzeig, sie haben sich ihrem Chef in den Jahren hörbar angepaßt. Mit Bryn Terfel steht Abbado der heutzutage beste Falstaff zur Verfügung, den man sich nur vorstellen kann. Obwohl er jung an Lebensjahren ist, glaubt man ihm die Altersweisheit. Genial spielt er den Lustgreis, der voll und ganz auf das Intrigenspiel von Alice Ford hereinfällt. Thomas Hampson gibt seinen Rivalen Ford; er verfügt zwar nach wie vor über eine schöne und brillante Stimme, singt die Partie aber so oberflächlich, daß man ihm die Qualen und die Eifersucht nicht abnimmt. Nur Schöngesang ist halt doch etwas zu wenig... Die anderen Rollen sind mit mehr oder minder zu Recht unbekannten Leuten besetzt. Am besten wirkt da noch Adrianne Pieczonka als Alice Ford.

Interessant ist hier auch der Vergleich mit der kurz zuvor erschienenen Aufnahme der gleichen Oper unter John Eliot Gardiner. Diese Philips-Produktion ist technisch besser gelungen als die neue der DG und wird von Gardiner noch eine Spur interessanter dirigiert. Obwohl die Sänger auch bei ihm eher unbekannt sind, klingt das Ensemble homogener. Trotzdem ist das vorliegende CD-Doppelpack schon wegen Abbado und Terfel als Ereignis zu bezeichnen.

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