Killing Time

Männer in Maßanzügen, blanke Pistolen, viel blaues Licht - und Gangster, die vor allem mit einem beschäftigt sind: Zeit totschlagen. Das alles stellt Johnnie To in "The Mission" so schön dar, daß man am liebsten Leibwächter werden möchte.

Als Triadenboß Lung nur knapp einem hinterhältigen Anschlag entkommt, beauftragt er seinen Gefolgsmann Frank, fünf unparteiische Gangster zu seinem Schutz zu engagieren. Eiligst werden ein paar recht gegensätzliche Charaktere rekrutiert: der schweigsame Curtis (Anthony Wong), der elegante Mike (Roy Cheung), der eßfreudige Waffenexperte James (Suet Lam), der athletische Profikiller Roy (Francis Ng) sowie dessen junger Protegé Shin (Jackie Lui). Alsbald bewacht die Leibgarde Lung auf Schritt und Tritt, während dieser seinen Geschäften nachgeht und dabei nach den Drahtziehern des Attentats sucht.

Die lebensgefährliche Aufgabe besteht hauptsächlich aus dem Warten auf das nächste Attentat. Dabei kommt man sich menschlich näher, doch der Tod lauert weiterhin hinter jeder Ecke. Einige heftige Schußwechsel später wird ein alter Geschäftsfreund Lungs als Urheber der Anschläge enttarnt. Und eigentlich könnte das auch das Happy-End einer erfolgreich absolvierten Mission sein, doch es folgt ein unangenehmes Nachspiel: Shin hat ein Verhältnis mit der Gattin des Bosses begonnen, was sein Todesurteil bedeutet. Naturgemäß ergibt sich daraus ein Konflikt zwischen Pflicht und Freundschaft, der noch einmal die ganze taktische Cleverness der Profis fordert.

Gestylte Optik im Hochgeschwindigkeitsrausch - so kennt man das Hongkong-Kino; doch bei "The Mission" ist unter der glänzenden Oberfläche vieles anders. Zunächst sind Johnny Tos Gangster noch toughe Typen, in lässigen Anzügen und sehr lakonisch: wortkarg, schweigsam, mit Ernst bei der Sache und ökonomisch in ihren Bewegungen. Gerade letzteren Punkt treibt der Film auf eine ungeahnte Spitze. Statt schwindelerregender kinetischer Hektik herrscht hier genreuntypische statische Ruhe, Hongkong in Zeitlupe sozusagen. Eine Schlüsselszene ist der fast unbewegliche Schußwechsel in einem Einkaufszentrum. Die Helden ballern hier nicht wild drauflos, sondern erstarren in einem meisterhaft choreographierten Pistolenballett hinter Pfeilern - eine Überlebensstrategie, bei der man nicht ins Schwitzen kommt, die aber trotzdem atemberaubende akrobatische Geschicklichkeit erfordert.

Nach und nach entblättert Johnny To mit sanfter Ironie seine Charaktere, die sich im pausenlosen Zusammensein notgedrungen miteinander und mit den Umständen arrangieren müssen. Dabei zeigt sich, daß das Dasein als Leibwächter auch bei ständiger akuter Lebensgefahr nicht gerade glamourös, sondern von Leerläufen, Stillstand und Langeweile bestimmt ist. Hat man sich erst daran gewöhnt, auf den Tod zu warten, kann es sogar fade werden. Dieser Banalität entzieht sich der von Frank mühsam dirigierte Haufen mit Kindsköpfigkeit. Man vertreibt sich die Zeit mit verbalem Geplänkel, Essen, (körperlicher) Liebe und ein wenig verschrobener Männerfreundschaft, in die immer wieder unvermittelt perfekt getimete Schießereien hereinbrechen. Spannung und trockene Komik halten sich die Waage.

Damit unterläuft "The Mission" vielleicht noch stärker als "Running Out of Time" die bekannten Codes der Hongkong-Action-Movies. Inhaltlich und von der minimalistischen Inszenierung her ähnelt er denn auch eher den stoisch-absurden Gangster-Epen eines Takeshi Kitano als etwa den Filmen von John Woo. Und leicht unkonventionell endet das Triaden-Drama - eines von dreien, die der umtriebige Regisseur 1999 drehte - mit zwei Showdowns. Optisch brilliert "The Mission" mit hochstilisierter Ästhetik: Split-Screens, blau getönte Präzision und eine eigentümlich kühl-distanzierte Eleganz sind maßgeblich am Ruf Johnny Tos als Innovator dieses zuletzt stagnierenden Genres beteiligt. Der Streifen ist äußerst unterhaltsames und erfreuliches Sushi für die Augen, das Leute wie Quentin Tarantino (der diese Art Film schamlos, aber zutiefst uninspiriert plünderte) ziemlich blaß aussehen läßt.

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