Sylvia Treudl hört Nachrichten, liest Zeitungen und rast durchs Internet, bis sie sich über gar nichts mehr wundert. Oder wenigstens fast...

Im Grunde bietet es sich ja immer an. Täglich, stündlich geradezu. Es ist eigentlich eine Notwendigkeit. Geworden. Früher war es zwar auch arg, aber früher war immer besser. Damals. Aber jetzt... Heutzutage ist es sozusagen die erste Bürgerpflicht. Die Rede ist nicht vom Säubern der Nasenlöcher unter Zuhilfenahme der Fingerglieder, im Volksmund auch Nasenbohren genannt, obschon man/frau es immer öfter mit NasenbohrerInnen (geistiger Provenienz) zu tun hat. Nein, es geht ums Reflektieren. Früher (wir erinnern uns: besser!) hat der denkende Mensch, auch wenn er nicht von Herrn Rodin in Stein oder sonst wo hingehauen war, Nachdenken dazu gesagt. Aber heute... Weil den sogenannten Vordenkern, die offenbar in ihren Denkschulen häufig die Stunden geschwänzt haben, nicht mehr viel einfällt, kommt der Mensch, der sich Gedanken/Sorgen macht, mit dem Nach-Denken gar nicht mehr nach. Und wenn das Vakuum dort vorherrscht, wo graue Masse sein sollte... Gut, wo gearbeitet wird, können Fehler passieren. Aber daß manche SO VIEL arbeiten, das ist unglaubwürdig.

Jedenfalls: jeden Tag überwälzt uns eine Info-Flut, die einen nicht mehr zum Luftholen kommen läßt – und was anderes als selektives Wegschauen ist praktisch kaum noch machbar. Und dann hat der denkende Mensch auch noch den Anspruch NACHzudenken – grauenhaft. Aber was sein muß...

Zum Lachen kommt man so eher selten, es sei denn aus unfreiwilliger Komik, was ja an sich auch schon wieder zum Heulen ist.

Also, da ist jetzt dieses 3. Jahrtausend endlich angepatzt, und man hockt mit der Zeitung vor dem Internet und saugt sich noch mehr Nachrichten rein und hat immer noch nicht alle Weihnachts-Mails beantwortet, und der Regenwald braucht eine Unterstützungserklärung, die genau für A&F ist, und er einzige Trost besteht darin, daß für elektronische Post wenigstens keine Bäume gefällt werden müssen, und weil man das Elend in den diversen – politisch korrekt - durchnumerierten Welten im Kopf nicht aushält und es in heimischen Gefilden auch ganz schwarz ausschaut, wendet man sich dem letzten Rest von Privatheit zu, der einem so geblieben ist. Und prompt erinnert man sich siedendheiß daran, daß die Steuererklärung immer noch nicht fertig ist, daß der erste Monat im 1er-Jahr sich bereits über die Mittelmarkierung bewegt hat und etliche Terminarbeiten noch friedlich im Delirium des letzten Jahres dämmern, und über die Auskünfte von der Bank will man am liebsten mit schweigendem Schaudern hinweggehen.

Also, nichts wie raus aus der Privatheit – und wieder hingewandt zu den News aus der wirklich wichtigen Welt. Hat man eben noch gedacht, daß das persönliche kleine und unbedeutende Leben ein Pendeln zwischen little shop of horrors und Anmeldeformular für Kalksburg wäre, so nimmt man jetzt schocksteif zur Kenntnis, daß die wahren Probleme anderswo hausen. Eigentlich ist man immer noch paralysiert von der Meldung, daß die Lipizzaner ihres Beamtenstatus verlustig gegangen sind, aber das Drama geht weiter! Weibliche Bereiter sollen zugelassen werden, Touristen sollen auf die edlen Rücken der weißen Hengste klettern dürfen – dafür hat man die Pferderln nicht in sorgfältiger, traditionsreicher Inzucht von Schwarz auf Weiß verblödet!

Die Freude der frühen Jugendjahre wird einem noch im nachhinein vergällt – was einst im Mai als Synonym für ABBA und Suzie Quatro und T. Rex und so weiter stand, nämlich BASF – als Tonträger für gierig vom Radio auf Band kopierte Songs, die garantiert von einem unsäglichen Ö3-Kommentar verunstaltet wurden (irgendwann erkannte man den Lieblingssong in der Disco nicht wieder, weil eben der dämliche Kommentar fehlte) – ist heute, im Zeitalter der Kürzel, mutiert zu BSE. Und darüber will der Mensch im Detail gar nichts wissen, denn Wahnsinnige gibt es auch so in inflationär auftretender Anzahl. Daß es dann immer die wirklich Unschuldigen trifft, das schmerzt – was kann schon so ein Rindviech dafür, daß es zum Kannibalen gemacht wurde. Oder ein Spitzenkandidat einer Partei, der immer nur gesagt hat, was ihm das Rückenmark so eingegeben hat – mittlerweile weiß man ja, wie gefährlich das ist –, und plötzlich ist er aus dem Rennen. Nur weil ihn ein paar Aufsässige akustisch falsch verstanden haben, und er war nicht im Puff, sondern mit seinem Hund (Lumpi? Humpi?) äußerln, und der Hund hat Wuff gesagt. Immer diese Mißverständnisse rund um die Tiere.

Da ist man dann schon so echauffiert, daß das mit dem Nachdenken über andere Kleinigkeiten gar nicht mehr funktioniert. Das mit der Neutralität zum Beispiel, das geht dann ganz still den Bach hinunter, weil auch der denkende Mensch ab und zu müde ist und beschließt, daß man vielleicht auf etwas, das man eh nicht sieht, wirklich verzichten kann, so lange es nicht Atomstrom ist. Also nimmt man eine neutrale Position zur Frage der Neutralität ein, schlachtet mit großem Bedauern ganze Rinderherden, läßt die wirklich Wahnsinnigen weiter ihrer Machtgeilheit frönen und fordert als Lösung für alle Probleme die politische Immunität für Rinder.



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