Sylvia Treudl wäre nach einem Wochenende intensiven Fernseh- und Shopping-Site-Konsums fast in den Kaufrausch gestürzt. Stattdessen erzählt sie uns lieber von ihren Erfahrungen mit aktuellem Werbeschwachsinn.

Probleme haben wir ja alle. In der einen Hemisphäre der Weltkugel sind wir damit beschäftigt, uns mit Diäten, Fatburnern, Light-Limonaden und unsäglichen Fitneßgeräten, die ihre direkte Verwandtschaft zu mittelalterlichen Folteraparillos nicht leugnen können, zu quälen. Anderswo verhungert man diskret. So ist das Leben eben. In der westlichen Welt - sprich: Zivilisation; dort, wo der Plastikchristbaum erfunden wurde - hat man/frau seit langem schon ein probates Mittel für den Frust der Gestreßten und mannigfach Überbelasteten gefunden. Es heißt Konsum. Denn: Wer ausreichend konsumiert, hat keine Zeit, fett zu werden, weil die Anspannung und der damit verbundene Kalorienverbrauch extrem hoch sind.

Man/frau muß nur einen trickreichen Weg (er)finden, die Pausen beim Konsumieren nicht bei McDonald´s oder ähnlichen schwimmreifenfördernden Jausenstationen zu verbringen. Dann geht das schon. Und nachdem ohnehin nur mehr die letzten Konservativen und die völlig Weltfremden zum Shoppen außer Haus gehen, ist es bloß eine Frage der Disziplin - schließlich kann sich der figurbewußte, fitneßgeeichte und gesundheitsfanatische Mensch auch mit Reisoblaten, Rohkost und Mineralwasser vors TV oder den PC klemmen, um Bestellungen von Dingen, deren Nutzen einem zwar einen Atemzug vorher völlig Schnecken war, ohne die er/sie aber plötzlich nicht mehr Luft holen kann, zu ordern. Per Mausklick oder Telefon. Ein Tag auf den entsprechenden Webseiten oder vor einschlägigen TV-Sendungen verändert das Leben. Nachhaltig. Den Kontostand auch, aber es wäre Kleinkrämertum, das näher zu extemporieren.

Es ist ein wahrhaft sagenhaftes Schwelgen, in das der konsumbegeisterte (und somit eminent wirtschaftsfördernde) Mensch da geraten kann. Allein der Ideenreichtum an angebotenem Klumpert ist atemberaubend. Wer kann noch mit gutem Gewissen hilflos fluchend vor dem Kleiderkasten rotieren (am besten am Montagmorgen, in Terminnot und nach einem heftig angereicherten Wochenende) - wenn er/sie genau weiß, daß es die ultimative Lösung für Platzmangel und Sortierprobleme in Sachen Garderobe gibt: Zack, einen Plastiksack mit Ventil bestellt, die jeweils gerade nicht benötigten Fetzen reingestopft, mit dem Staubsauger die Luft rausgeschlürft und dann das papierdünne Behältnis so easy im überquellenden Schrank verstaut wie eine Krawatte. Funktioniert angeblich für ALLE Utensilien aus Kunststoff, die sonst irgendwie unhandlich in der Lagerhaltung sind...

Und dann dieses Potential an Hoffnung, das im Angebot gleich mitgeliefert wird! Generationen von gequälten Ehemännern dürfen aufatmen: In der Futterindustrie (selbstredend gesund und kalorienbewußt) werden jetzt Fraßmenüs angeboten, die sich zum einen quasi von selber kochen, zum anderen die quasselsüchtige Angetraute in Nullkommanix vor Ergriffenheit zum dumm-stummen Visavis erstarren lassen. Oder Gerichte, die endlich eine Mahlzeit für echte Männer darstellen (aber nur, wenn der Koch Felix oder Max oder Detlev heißt) - und wenn die Alte auf Besuch bei ihrer Mutter ist. Die holde Weiblichkeit revanchiert sich, indem sie ihren Lebenspartnern unterstellt, daß sie zu blöd zum Gläserwaschen wären (im Geschirrspüler selbstverständlich), und argwöhnen nach dem Weekend bei Mama ehebrecherische Umtriebe - die sich, was sonst, in Form von hochglanzpoliertem Riedlglas niederschlagen. Die zwingende Logik ist bestechend.

Überhaupt scheint beim Anpreisen der Produktpalette der Faktor "fies" beziehungsweise das Ehrabschneiden und Niedermachen des Gegenübers der letzte Heuler zu sein. Sei es, daß der coole Yuppie beim Heimkommen die Wohnung nicht nur von seiner Freundin, sondern auch von allem Hausrat verlassen vorfindet und sich einen Haxen ausfreut, Marke: endlich alles gut, Hauptsache, die wichtigste Verbindung im Leben hält ihn noch in Form einer telefonischen Nabelschnur am Leben. Oder sei es, daß ein Kotzbrockenkind seinem nicht weniger widerlichen Vater ein Stücki vom Torti verweigert (so viel zum Thema Pensionsvorsorge). Es ist schon recht erstaunlich, was die Branche der Werbepsychologie als Trendgalopper enttarnt hat.

Beunruhigend ist vielleicht für die WarmduscherInnen unter denen, die halt auch mit Werbesendungen geschlagen sind (man/frau kann ja schließlich beim Fernsehen nicht alle 10 Minuten pinkeln rennen, den Kühlschrank plündern etc.) die Erkenntnis, daß Werbung immer auch ein Stück Realität spiegelt. Wer jemals die grandiose Dokumentation "Rendezvous unterm Nierentisch" gesehen hat, wird wissen, wovon die Rede ist. Und daß die putzige Lutz-Familie auf Big Brother macht, ist noch harmlos.



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