Die Filme Kiyoshi Kurosawas, oder: Ein Racheengel auf der Suche nach dem tieferen Sinn. Jürgen Fichtinger porträtiert einen der wichtigsten japanischen Regisseure der Gegenwart.

Seine Filme wirken wie "Dynamit retard". Statt gleich im Kopf des Betrachters zu explodieren, dauert es schon mal ein Weilchen, bis sie ihre volle Wucht entfalten - dies dafür aber umso heftiger.

Die Rede ist von Kiyoshi Kurosawa, einem der wohl angesagtesten Vertreter des jungen japanischen Kinos. Der 1955 in Kobe geborene Namensvetter von Altmeister Akira Kurosawa machte erstmals mit seinem ungewöhnlichen Polizeithriller "Cure" auch außerhalb Japans von sich reden und hinterließ eine regelrechte Welle der Ratlosigkeit. Angesiedelt irgendwo zwischen existentialistischem Kammerspiel und philosophischen Drama, zog die sonderbare Geschichte rund um den Polizisten Takabe und eine rätselhafte Mordserie das internationale Festivalpublikum 1997 gnadenlos in ihren Bann.

Mittlerweile sind drei Jahre vergangen, in denen der Japaner mit seinen Filmen bei den internationalen Festivals - von Toronto über Cannes bis hin zu Hongkong - kontinuierlich vertreten war, und dies zurecht. Inzwischen zählt er neben Regisseuren wie Shunji Iwai, Masato Harada und Takashi Miike zum wohl Interessantesten, was das Land der aufgehenden Sonne im filmischen Bereich zu bieten hat. Umso unverständlicher erscheint es daher, daß die ersten 14 Jahre seines Schaffens weitgehend ignoriert werden und die meisten Kritiker ihn als typischen Genre-Regisseur einstufen.

Kiyoshi Kurosawa begann bereits zu College-Zeiten (mit einer 8-mm-Kamera) mit dem Filmemachen. Schon sein erster Kurzfilm "Shiragami" brachte ihm 1980 einen Preis beim PIA-Filmfestival ein. Nach erfolgreicher Beendigung seines Soziologiestudiums arbeitete er während der frühen Achtziger unter anderem als Regieassistent für den Schauspieler, Regisseur und Nudelsuppenfetischisten Juzo Itami - Gott hab ihn selig.

Seine "Defloration" im Bereich des kommerziellen Kinos fand 1983 statt, als die Filmfirma Nikkatsu ihm den Regiestuhl für "Kandagawa Wars", einen eher untypischen Pinku Eiga, anvertraute (für den Kurosawa übrigens auch das Drehbuch verfaßte). Doch anstatt des verlangten Softcore-Films erhielt das Studio eine eher liebenswert komische Beziehungskiste, notgedrungen gespickt mit einigen Sexeinlagen, der die Geschichte zweier Mädels erzählt, die dem inzustiösen Verhältnis eines pubertierenden Jungen ein Ende setzen wollen und ihn kurzerhand aus den Fängen seine Mutter befreien - allerdings erst nach Anfertigung eines ausgeklügelten Schlachtplans. Ziel ihrer Mission ist es, seiner sexuellen Verwirrung ein Ende zu setzen, um ihn danach in ein gesundes Liebesleben einzuführen.

Hier war Kurosawas Tendenz, sich nicht den üblichen Traditionen unterwerfen zu wollen, bereits deutlich spürbar - was bei seiner zweiten Regiearbeit "The Excitement of the Do-re-mi-fa Girls" sogar soweit führte, daß Nikkatsu aus "Mangel an Erotik" gar nicht erst am Vertrieb des Films interessiert war und er sich am Ende selbst darum kümmern mußte. Damit der Streifen ein größeres Publikum erreichen konnte, wurden die Sexszenen kurzerhand entfernt und durch nachträglich auf Video gefilmtes Material ersetzt.



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