| Viele 
          haben darüber schwadroniert, philosophiert und paraphrasiert - 
          wissen tut trotzdem kaum einer was darüber. Höchste Zeit, 
          Mißverständnisse auszuräumen und die Sache auf den Punkt 
          zu bringen.  Ein Interview von  
           r.evolver 
          mit dem Namenspatron 
          eines Genres: Dr. Trash.
 Ein Museum soll eröffnet 
          werden. Das Profil der virtuellen Ausstellung ist klar definiert. Noch 
          während die ersten multimedialen Beiträge für die Schauräume 
          des Trash-Museums vorbereitet werden, beginnt - ähnlich wie einst 
          das Schwert des Damokles - die Kernfrage plötzlich gefährlich 
          im Raum zu schweben: Was ist Trash denn nun wirklich? Zu viele Stefan 
          Raabs, zu viele RTL-Shows, zu viele Schlingensiefsche Container vor 
          der Wiener Staatsoper verwässern das Subkultur-Segment, verzerren 
          den Begriff bis zur Unkenntlichkeit, führen in weiterer Folge zu 
          einer Desorientierung der anfänglich motivierten Projektleitung. 
          Da kann nur mehr einer helfen - der Doc! 
 EVOLVER: Herr 
          Doktor Trash, bekanntlich hat sich eine mittlerweile nicht unwesentliche 
          Kulturströmung ihren Namen ausgeborgt. Worauf führen Sie diesen 
          Umstand zurück? Dr. Trash: 
          Trash ist keine Kulturströmung (oder dürfte zumindest keine 
          sein, wenn auf dieser Welt noch irgendwas mit rechten Dingen zuginge), 
          sondern ein medienübergreifender Genrebegriff. Was die Namensgleichheit 
          angeht, so neige ich zur Vermutung, daß man sich zur Benennung 
          derartiger Phänomene eben gern Namen von Persönlichkeiten 
          ausborgt, die ähnliche Prinzipien verkörpern. Sollten Sie 
          mir diese Frage aber jemals offiziell stellen, sehe ich mich gezwungen, 
          jeden Zusammenhang strikt zu leugnen...
 EVOLVER: Darf 
          der Begriff "Trash" als Etikett für zeitgenössische Gegenströmungen 
          herangezogen werden? In diesem Zusammenhang eine Zusatzfrage: Was, um 
          alles in der Welt, soll Ed Wood mit Schlingensief gemeinsam haben?! 
          Dr. Trash: 
          Trash ist nicht zeitgenössisch - oder nur insofern, als wir von 
          der Zeit seit Erfindung der Massenmedien sprechen. Trash gab es schon, 
          als Charles Dickens und Konsorten ihre Fortsetzungsromane für die 
          "penny dreadfuls" schrieben, die alles enthielten, was die Menschheit 
          immer schon interessierte: Sex & Gewalt, Sentimentalität und 
          mit dem breiten Pinsel aufgetragene Grundgefühle wie Liebe und 
          Haß, total überzeichnete Helden- und Schurkengestalten usw. 
          usf. Trash waren aber auch die ersten "Stag"-Movies, Ärzteromane, 
          Superhelden-Comics und vieles mehr, das die Hochkultur abfällig 
          als "Schmutz & Schund" (oder im angloamerikanischen Sprachraum eben 
          als "Trash") bezeichnete.
 Vieles, das da auf den Markt 
          geworfen wurde, ist selbst im nostalgischsten Rückblick nicht mehr 
          als purer Dreck, der keine historische Aufarbeitung verdient. Einige 
          Perlen aber gibt´s in jedem Misthaufen - und für diese haben 
          sich intelligente und mutige Beobachter der populären Kultur eben 
          den Begriff "Trash" angeeignet, was als ähnlich subversiver Akt 
          zu verstehen ist wie die Verwendung des Schimpf- und Slang-Worts "Punk" 
          zur Bezeichnung einer Musikrichtung, die zehn Minuten lang alles auf 
          den Kopf stellte. Trash hat sich danach zur Subkultur entwickelt, die 
          darauf spezialisiert ist, jene Perlen, die (fast versehentlich) vor 
          die Säue geworfen wurden, aufzuspüren und liebevoll zu polieren; 
          und Trash hat natürlich seinerseits wieder eine Menge anderer Subkulturen 
          beeinflußt.
 Zu Ihrer Zusatzfrage: Ed 
          Wood und Schlingensief haben nur gemeinsam, daß in den Augen hoffnungslos 
          Verblendeter beide als Trash-Produzenten gelten. Da es sich bei besagten 
          Verblendeten aber um dieselben Idioten (vor allem die widerliche "Alternativ"-Kultur 
          mit ihren vielen Ablegern und Tentakeln) handelt, die auch die grundfalsche 
          Idee vom "So schlecht, daß es schon wieder gut ist"-Kulturerzeugnis 
          hervorgebracht haben, muß man die Idee jedweder Parallele zwischen 
          dem Schaffen dieser beiden Regisseure streng zurückweisen. Ed Wood 
          hat seine Arbeit stets ernstgenommen und war stets davon überzeugt, 
          gute Filme zu drehen (die genau deswegen ihre "mindblowin´" Qualität 
          haben), während Schlingensief dem Klüngel dieser "Haha-was-bin-ich-doch-klug-und-ironisch"-
 Pseudo-Exzentriker angehört, 
          die bewußt Müll produzieren, der dann eben auch immer nur 
          Müll bleibt. Wenn man solchen Leuten Geld gibt, dürfen sie 
          in Hollywood Großmüll machen, aber das Prinzip bleibt dasselbe. 
          Was wiederum erklärt, warum dumme Drecksfilme wie "Something About 
          Mary", "Jackie Brown" und "Fargo" entstehen können, bei denen sich 
          behäbig glucksende Studenten und "Standard"-Feuilleton-Leser im 
          Kino wie echte Trash-Connaisseure vorkommen können.
 EVOLVER: Stichwort 
          "Etikett" - wer hängt es sich um und warum? Die Leute, die wir 
          im historischen Kontext in den "Trash-Topf" werfen (z. B. Mario Bava), 
          hätten sich selbst doch sicher sehr ungern in eben diesem gesehen. 
          Dr. Trash: 
          Die Kulturgeschichte kümmert sich in ihren Bewertungen und Kategorisierungen 
          ja nicht um das Selbstbild des Kulturschaffenden - den Göttern 
          sei Dank. Mario Bava oder Ed Wood haben sich aus gutem Grunde nicht 
          als Trash-Macher gesehen; wäre das anders gewesen, so wären 
          ihre Werke (siehe oben) ebenso bedeutungslos, wie es die von Schlingensief, 
          den Coen-Brüdern und Tarantino zweifelsohne in 20 Jahren sein werden.
 EVOLVER: "Trash", 
          sprich Abfall - billiges Mittel zum Protest einiger Provokateure oder 
          Widerspruch? Dr. Trash: 
          Als kulturhistorische Kategorie hatte dieses Genre durchaus einmal Protestcharakter, 
          bevor das Ästimieren von (fast immer falsch verstandenem) Trash 
          zum Mainstream-Hobby wurde; bleiben also nur mehr die subversiven Jäger 
          und Sammler, die sich noch heute abseits der Deppenmedien um die Aufrechterhaltung 
          der "wahren Werte" des Trash bemühen. (Wozu Ihr Schaffen beitragen 
          möge, mein Herr.) Als Kunstströmung ist es, wie bereits gesagt, 
          ein dummes Kokettieren mit der eigenen Unfähigkeit (wie es z. B. 
          "lustige" Alternativradio-Kabarettisten/Moderatoren tagtäglich 
          aufs Grausamste vorführen).
 EVOLVER: "Trash" 
          als Gattung bzw. Genre haben wir abgehandelt - wie sieht´s abseits 
          der Kunst aus? Würden Sie im breiten Feld der Subkultur lediglich 
          das verunglückte Plagiat (z. B. Fake-Barbies aus China) zur Kategorie 
          "Trash" zählen, und gibt´s darüber hinaus auch hier 
          einen chiffrierten Kulturauftrag (wenn der unter Umständen auch 
          "Sub" sein mag)? Dr. Trash: 
          Das "verunglückte Plagiat" (neben den Fake-Barbies sind das noch 
          Phänomene wie italienische "Mad Max"-Postapocalypso-Verschnitte, 
          japanisches Spielzeug oder indische Filmmusicals - die sich naturgemäß 
          niemals selbst als Subkultur verstehen) ist nur ein Teil der Trash-Geschichte 
          und -Gegenwart; daneben gibt es noch andere interessante Felder wie 
          "Serienwahn", "ewige Zweite", "private Passionen" usw., über die 
          ich mich jetzt gar nicht näher auslassen will, die Sie aber hoffentlich 
          in ihrem "Trash-Museum" ausführlich abhandeln werden.
 EVOLVER: Abschließend 
          noch eine persönliche Frage - der Terminus "Trash" entspricht auch 
          dem angelsächsischen Synonym für Abfall. Würden Sie sich 
          denn als Abfalleimer bezeichnen? Dr. Trash: 
          Dr. Abfalleimer, bitte! Soviel Zeit muß sein.
 
 Das wohltuende 
          Gespräch mit Dr. Trash führte ein deprimierter r.evolver Ende 
          Juni 2000 in Wien. 
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                Dr. Trash 
                 Kaufen/lesen/ wunderbar finden:
 Günter Brödl/ 
                  Peter Hiess  
                  Peep-Show
 (Kurt Ostbahn: Trainer & Trash ermitteln); 
                  Eichborn-Verlag
 Bezugsquelle(n): überall im Buchhandel
 Mails 
                  an Dr. Trash
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