23-03-2001/Abteilung: Literatur

Fortsetzung...

Vor allem wegen ihrer schonungslosen Schockeffekte wurden die Hefte schon bald zur beliebten Zielscheibe der Comic-Gegner, die gegen Ende der 40er Jahre analog zu den steigenden Auflagen immer stärkeren Einfluß gewannen. Die aus "höheren" Motiven agierenden Heerscharen moralisch einwandfreier Institutionen orteten - wissenschaftlich betrachtet kaum verifizierbare - Zusammenhänge zwischen zunehmender Jugendkriminalität und dem übermäßigen Konsum von Comics, in denen Gewalt thematisiert und durchaus explizit dargestellt wurde. Den Höhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen, als 1954 der Psychologe Fredric Wertheim das Buch "Seduction of the Innocent" veröffentlichte, dem einige (fragwürdige) Untersuchungen vorangegangen waren. Nicht zuletzt Wertheims Publikation war es zu verdanken, daß einflußreiche Kreise begannen, einen regelrechte Hetzjagd auf Comic-Verlage und Herausgeber zu veranstalten. Diese von wenig demokratischem Geist zeugenden Aktionen gipfelten in den sogenannten Kefauver-Hearings in New York. Dabei wurden auch verschiedene Zeichner und Comic-Verleger als Zeugen befragt. Und so durfte sich auch William M. Gaines über eine Vorladung freuen.

In die Annalen der Comic-Geschichte ging vor allem jener berühmte Schlagabtausch ein, den sich Gaines mit Senator Kefauver, dem Saubermann der Nation, 1954 vor laufenden Kameras lieferte. Kefauver hielt das E.C.-Heft "Crime SuspenStories Nr. 22" in die Kamera und wandte sich dann an Gaines: "Hier ist die Mai-Ausgabe. Dies scheint ein Mann mit einer blutigen Axt zu sein. Er hält den Kopf einer Frau, der von ihrem Körper abgetrennt wurde. Sind Sie der Meinung, daß das geschmackvoll ist?"

Gaines: "Ja, Sir ... für das Cover eines Horrorhefts. Schlechter Geschmack wäre, wenn der Kopf etwas höher gehalten würde, so daß man das Blut hätte heraustropfen sehen, und wenn der Körper so gezeigt worden wäre, daß man den blutigen Hals sehen könnte."

Kefauver: "Ihr kommt Blut aus dem Mund."

Gaines: "Ein bißchen."

Schrecklich lustiges Ende

In der Branche wußte man nun, daß - schon allein, um irrwitzigen Entwicklungen wie im Ausland vorzubeugen - reagiert werden mußte. (In Kanada beispielsweise wurde seit 1949 das Drucken und Verbreiten von Crime-Comics mit zwei Jahren Freiheitsentzug geahndet!) Um den der Comic-Gegnern das Wasser abzugraben, gründeten die großen Verlage im Oktober 1954 die CMAA (Comics Magazine Association of America), die in Zukunft für saubere Inhalte sorgen sollte. Hefte ohne CMAA-Siegel wurden von den Händlern zurückgewiesen. Obwohl Gaines der Entwicklung durch neue, weniger blutige, dafür aber umso spannendere Abenteuerserien (z. B. "Impact") vorbeugen wollte, ließ sich - wie so oft - das Unvermeidliche nicht abwenden: Das CMAA-Siegel katapultierte viele Verlage in den Konkurs und leitete somit auch das Ende von E.C. Comics ein. Zudem behinderte die "freiwillige Selbstzensur" das Medium in weiterer Folge auch bei notwendigen Entwicklungsschritten. Ergo wanderten die Comics innerhalb kurzer Zeit dorthin zurück, wo sie hergekommen waren: in die sterilen Kinderstuben amerikanischer Vorstädte. Anthropomorphe Tierfiguren wie Enten, Mäuse und Karnickel hatten wieder die Vormachtstellung.

Doch der rege Geist Gaines dachte nicht daran, das Handtuch zu werfen. Wenn es schon mit Angst und Schrecken nicht klappen wollte, so sollte die Menschheit wenigstens lachen dürfen: 1952 - drei Jahre, bevor die letzte Horrorserie des Verlags eingestellt wurde - erschien die erste Ausgabe von "MAD", einer Parodie auf die Medien Comic und Fernsehen, die vom bewährten E.C.-Team gestaltet wurde. Gegen Ende der 50er Jahre siegte schließlich Alfred E. Neuman über Intoleranz und Doppelmoral.

Detail am Rande: Auch der Film nahm sich der E.C. Comics an: Zombie-Papa George Romero (dessen Werk stark von den Heften beeinflußt ist) brachte 1982 mit seiner "Creepshow" eine durchaus passable Hommage an die mit Abstand legendärste Horror-Comic-Serie auf die Kinoleinwand.

Die bekanntesten E.C.-Zeichner im Überblick

Al Feldstein: Er betreute sämtliche E.C.-Hefte redaktionell und schrieb knapp die Hälfte aller Storys. Beeinflußt von Ray Bradburys Romanen, war ihm vor allem die Kraft des Szenarios wichtig. Seine Geschichten fielen allerdings sehr wortreich aus. Dieser Umstand begünstigte zwar nicht unbedingt den Fluß der Erzählung, sorgte aber für eine reizvolle literarische Note. Trotz der vielen individuellen Zeichen- und Erzähltechniken gelang es Feldstein, einen einheitlichen E.C.-Stil zu kreieren. Hilfreich war dabei das Prinzip, die Horrorgeschichten von originellen Figuren wie dem "Crypt Keeper", dem "Vault Keeper" oder der "Old Witch" erzählen zu lassen.

Jack Davis: der Spezialist in Sachen Horrorgeschichten. Davis´ Storys spielen zumeist in verschrobenen, ländlichen Gegenden; sein durchaus in der Tradition der Karikatur stehender Strich fungiert am Höhepunkt der Geschichte als Multiplikator des Schockeffekts.

Graham Ingels: der Meister des makabren Grusels. Ingels war ohne Zweifel einer der erfolgreichsten Zeichner der E.C.-Redaktion. Er zeichnete seine Geschichten unter dem Pseudonym "Ghastly" ("Scheußlich") und schuf unter diesem Namen eine grandios gezeichnete Welt der Dekadenz und ultimativen Schlechtigkeit.

Bernard Krigstein: der wohl mit Abstand interessanteste E.C.-Zeichner. Sein harter, realistischer Zeichenstil ist merkbar von der Schnittechnik des Films beeinflußt. Aus seiner Feder stammt der unvergessene Comic-Klassiker "Master Race" (erschienen in "Impact" Nr. 1/April 1955), in dem ein ehemaliger KZ-Häftling in der New Yorker U-Bahn auf seinen ehemaligen Peiniger trifft.

Al Williamson: Er war für die Science-Fiction-Abteilung, die den restlichen E.C.-Publikationen in Sachen Horror um nichts nachstand, zuständig ("Weird Fantasy", "Weird Science"). Seine bisweilen romantischen Interpretationen der klassischen Sujets waren stark von der Arbeit des "Flash Gordon"-Schöpfers Alex Raymond beeinflußt.



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