Nicht von dieser Welt

Seit der Auflösung von Cabaret Voltaire im Jahr 1994 hat man nicht viel von Sänger Stephen Mallinder gehört - jetzt meldet er sich aus Australien zurück ins Musikbusineß.

Einer der Gründe des Cabaret-Voltaire-Splits im Jahr 1994 war eine neue Liebe im Leben des Sängers Mallinder. Um seiner neuen Flamme nahe zu sein, verließ er seinen musikalischen Begleiter Richard Kirk und zog nach Australien, von wo man die absurdesten Gerüchte über ihn zu hören bekam - beispielsweise, daß er dort auf einer Gemüsefarm arbeite oder Jeans im Laden seiner Freundin verkaufe. Ob und was davon der Wahrheit entsprach, werden wir wohl kaum mehr erfahren; wichtiger ist sowieso, daß sich "Mal" nach vielen Jahren der Musikabstinenz nun mit zwei neuen Projekten und einem eigenen Label zurückmeldet.

Mallinder war von jeher die Hälfte Cabaret Voltaires, die es nicht genoß, Indie zu sein und von guten Reviews und hoher Credibiltiy allein zu leben. Vielmehr war es dem Sänger äußerst recht, als die Band 1990 ihr kommerziellstes Album "Groovy, Laidback and Nasty" (angeblich die Namen der drei Katzen von Richard Kirk) auf den Markt warf und plötzlich im Rampenlicht des Popbusineß stand. Da sich der scheue Kirk der Presse sowieso nicht stellen wollte, übernahm Mallinder für kurze Zeit die Rolle des Popstars und Sprechers der Band.

Enttäuscht vom eher mageren kommerziellen Erfolg des neuen Konzepts und dem kurz darauf erfolgten Rauswurf durch ihr Label EMI, erfand sich die Band noch einmal neu, jedoch schien Mallinder nur mehr halbherzig bei der Sache zu sein. Immer spartanischer fand sich sein Gesang auf den Platten, und bald mußte Kirk das Projekt Voltaire allein am Leben erhalten.

Nun ist Mallinder zurück. In Australien baute er in der Zwischenzeit sein eigenes kleines Label Offworld Sounds auf, wo unter anderem bereits einige neue Arbeiten von "Mal" selbst erschienen sind. Ku Ling Bros. heißt sein neues Projekt gemeinsam mit Shane Norton von Soundlab, doch bereits aus der Zeit davor existieren Aufnahmen seiner ersten australischen Band Sassi & Loco. Deren gesammelte Werke erscheinen nun als CD unter dem obskuren Titel "Boom Claat".

Wie nicht anders zu erwarten, ist Mallinders neue Musik wesentlich kommerzieller orientiert als die seines Expartners Kirk. So finden sich auf dem neuen Album neun Songs und ein Remix, die allesamt modern und tanzbar klingen und verschiedene Bereiche der elektronischen Musik der Gegenwart abdecken. Seinen Gesang hat Mallinder allerdings auch auf dem neuen Projekt weggelassen.

Der Einsteiger "Shatter" läßt einem eingefleischten Cabaret-Voltaire-Fan bereits während der ersten Takte Kummerfalten auf die Stirn treten, so Disco-orientiert tönt es da aus dem Lautsprecher. Zwar entwickelt sich die Nummer mit der Zeit angenehmer als erwartet, doch drängen sich ständig unnötige Vokal-Samples in den Vordergrund, die schlechter nur von den Spaniern Esplendor Geometrico produziert werden könnten. "Orange Street", bisher als B-Seite auf der "Bibleopoly"-Maxi erschienen, ist eine ruhige, angenehme HipHop-Nummer ohne Gesang; "Lover People" ein Elektro-Hybrid mit ständiger weiblicher "Ooh Ooh"-Gesangsbegleitung. Das darauf folgende "Bibleopoly" gemahnt an Drum & Bass, ohne es wirklich je zu sein; gerade das macht aber die Stärke dieser Nummer aus. (Später findet sich noch ein Remix des Tracks von Ben Markham in klassischer Jungle-Version, der dem Original aber nicht annähernd das Wasser reichen kann.) "Tommy Roberts", ebenfalls bereits auf einer hauseigenen Offworld-Compilation erschienen, ist ein weiterer Höhepunkt des Albums, obwohl es zu den kommerziellsten Stücken der Platte gehört. Bei "Lost Loco" gibt es so deutliche Achtziger-Elektro-Anleihen, daß man sich wünscht, das Stück wäre weiterhin "lost" geblieben. "Away Away" ist Loungecore und daher völlig unbedeutend, und "Evil Weevil" wiederum ist ein recht ansehnlicher zeitgenössicher Elektrohammer, der seinen Vorgänger um Klassen abhängt.

Insgesamt muß man leider sagen, daß man sich Mallinders Rückkehr ins Musikgeschehen ein bißchen innovativer gewünscht hätte; allerdings sieht das zweite Projekt, die Ku-Ling Bros., etwas vielversprechender aus. Nach dem Debutalbum "Creach" (siehe EVOLVER-Rezension) auf Offworld und der Single "Space Junk" auf Klanggalerie wird derzeit an einem neuen Album gebastelt, und man darf gespannt sein, was Mallinder in Zukunft auf den Musikmarkt werfen wird.

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