Fortsetzung...

Im "Mephisto-Prinzip" sind die offensichtlichen "good guys" des Westwelt-Alltags (Greenpeace, Grüne, Alternative, Naturschützer, Globalisierungsgegner etc.) zwar nicht wirklich die Bösen - aber zumindest die teilweise Verwirrten, denen über der Sinnfrage oft die Argumente ausgehen. "Nicht der Wert des Tropenwaldes, sondern seine vermeintliche Wertlosigkeit ist gefährlich", versuchen die Autoren am Beispiel Indonesiens zu erklären, warum der gelernte Naturschützer ausschließlich Möbel aus Tropenholz kaufen sollte - weil dies letztlich zur Kultivierung des Tropenwaldes als Einnahmequelle und zu einer kontrollierten Forsthaltung führen würde. Auf Borneo hingegen, wo Ende der 90er Jahre Tausende Hektar Urwald niedergebrannt wurden, wollten Plantagenfarmer "auf den verkohlten Flächen Palmöl und Kautschuk anbauen. Diese landwirtschaftlichen Produkte bringen weitaus mehr Geld ein als Holz. Würde dagegen der Wald mehr Gewinn abwerfen als Plantagen, etwa durch Forstwirtschaft, das Sammeln pharmazeutischer Rohstoffe, Tourismus, Jagd oder all das zusammen, dann würden die Waldnutzer diese Einnahmequelle gegen die Brandroder verteidigen."

Den beiden Journalisten entgeht kaum eine Branche, in der "ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft" aktiv ist. Viele der gezogenen Schlüsse klingen zwar ein wenig banal, könnten im Einzelfall aber durchaus funktionieren. Maxeiner und Miersch bemühen sich außerdem um Beweisführung und nennen die Quellen, aus denen sie getrunken haben. Zynismen werden locker eingestreut ("Zu den letzten Abenteuern gehört es, Samstag morgens im Pelzmantel lässig am Stand der Tierschützer vorbeizuschlendern"); statistische Wahrheiten bleiben dem Leser ebenfalls nicht erspart: "Ein Gutteil der 12.000 Worte, die ein durchschnittlicher Mann, und der 23.000, die eine durchschnittliche Frau pro Tag absondern, sind nicht ganz ehrlich gemeint. Die Zahl der täglichen Unwahrheiten beziffert die moderne Lügenforschung zwischen zwei und 200." Seien wir also auf der Hut, denn "angeblich wird nur jede fünfte Schummelei vom Gesprächspartner entdeckt".

Übrigens: Auch das Internet funktioniert nach dem Mephisto-Prinzip. Diese Meinung ist zwar nicht ganz neu, wird aber von den Glücksrittern der New Economy und dem Rest der moralisch korrekten Wirtschaft (die Pornographie für verwerflicher hält als die Produktion von Massenvernichtungswaffen) konsequent ignoriert. Während die Unternehmen der New Economy der Reihe nach krachen wie die Kaisersemmeln, wurden in "den Rotlichtbezirken des Cyberspace 1999 knapp drei Milliarden Mark umgesetzt", berichtet das Buch. "Datamonitor" schätzt, daß 70 Prozent aller Online-Umsätze mit "Schmuddeldiensten" eingefahren werden. Die Folgerung: "Den Treibstoff für den Motor der globalen Ökonomie liefern gegenwärtig einsame Masturbatoren mit Kreditkarte." Ohne die Pornoindustrie sähe das Internet heute vermutlich anders aus, denn sie setzte neue Technologien zuerst ein - wie z. B. sichere Kreditkartentransaktionen, WebCams, Videostreams, Chatrooms und mehr. Was der Erotikbranche gut genug war, wurde mit einiger Verzögerung auch vom Rest des Datenhighways akzeptiert.

Heimtückischerweise entwickelt sich das auf den ersten Blick so sexistische Web auch immer mehr zum Karrieresprungbrett für Frauen - meint die Wirtschaftszeitschrift "Fortune". Die Emanzen mögen weinen und kreischen; Mephisto hingegen lächelt still. Und er freut sich nicht nur über die New Economy, nein, er unterstellt auch den alten Meistern Egoismus und Raffgier beim Schaffen ihrer Kunst. Leonardo da Vinci beispielsweise verdiente - weitab vom Bettelstab - durch das Erfinden von Kriegswaffen gutes Geld. Und die Mona Lisa entstand auch nicht nur aus Freude am Malen; vielmehr war sie ein Auftragswerk, ein "Porträt der Gemahlin des vermögenden Patriziers Francesco del Giocondo, bestellt zum Wohlgefallen des Auftraggebers und geliefert frei Palast Florenz im beliebten Format 77x53."

Provokant ist "Das Mephisto-Prinzip" wahrscheinlich nur für konserative Geister; ein wenig zynisch - weil ausschließlich ergebnisorientiert - ist es zwangsläufig. Es liest sich wie Wahrheit, aber man braucht bösen Humor, um wirklich damit glücklich zu werden. Mächtig bösen Humor. Der Reality-Check kommt dann beim Nachdenken.



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echt wahr?
(hillybilly, 27.09.2001 13:50)

kostenpflichtige Entgegnung
(Chris Haderer, 27.09.2001 18:10)






Über die Autoren:
Dirk Maxeiner und Michael Miersch sind freie Autoren und haben mehrere Bestseller aus den Bereichen Umwelt, Natur und Wissenschaft auf dem Gewissen. Ihre Bücher "Öko-Optimismus" (1996) und "Life counts" (2000) wurden als "Wissenschaftsbücher des Jahres" ausgezeichnet. Außerdem empfehlenswert: "Lexikon der Öko-Irrtümer". Michael Miertsch veröffentlichte auch ein Solowerk, nämlich "Das bizarre Sexualleben der Tiere" (1999).