Warum Handwerker überall gleich sind, oder: Ein Berliner und seine Probleme mit dem Abfluß. Benny Denes liefert dem EVOLVER wieder einmal einen Bericht über Erlebnisse, Eindrücke und Momentaufnahmen aus dem Alltag seiner Stadt.

Ich wohne in einem Haus, das von Berlins größter Hausverwaltung betreut wird. Die hat uns Mietern vor kurzem einen Brief geschrieben, aus dem hervorging, daß man ein neues Konzept bei der Problembehandlung in Wohnungen durchführen wolle, bei dem die Mieter eigenverantwortlich tätig werden sollten. Einfacher ausgedrückt, sollen wir ab jetzt selbst die entsprechenden Handwerker bestellen, wenn es mal einen Rohrbruch, Wasserflecken oder ein undichtes Fenster gibt.

Letzte Woche hatte ich denn auch schon meine Premiere: Der Badewannenabfluß war verstopft, und das neue Konzept hatte bereits eine positive Auswirkung. Ich war ein bißchen stolz, ein wenig aufgeregt, vor allem war ich mir aber stets meiner Verantwortung bewußt, als ich aus dem Branchen-Fernsprechbuch das erstbeste Unternehmen heraussuchte und anrief. Der etwas unfreundliche Herr von der Auftragsannahme versprach mir, schnell einen Klempner vorbeizuschicken. "Schnell" bedeutete bei dem Unternehmen scheinbar nicht das, was der allgemeine Sprachgebrauch unter dieser Formulierung versteht. Doch das ärgerte mich nicht im geringsten, denn ich war die Problemlösung schließlich eigenverantwortlich angegangen.

Dreieinhalb Stunden nach dem vereinbarten Termin kam dann auch der junge Monteur im Blaumann und fragte nach einem Kaffee. Den machte ich ihm auch, und während er ihn dann trank, erzählte er mir, was für schlimme Mitbürger ich hätte. Erzählen ist vielleicht nicht das richtige Wort, denn eigentlich hielt er mir einen Vortrag. Über fünfundvierzig Minuten. Dann fragte ich ihn, wieviel die Reparatur denn kosten würde, schließlich war ich mir nach wie vor meiner Eigenverantwortung bewußt. Er fragte: "Bis jetzt?", woraufhin ich zurückfragte, ob er damit das bisher eingeschätzte Ausmaß des Schadens meine. Das war´s aber nicht - stattdessen nannte er mir den Betrag von DM 140,- für die bislang verbrauchte Anfahrts- und Arbeitszeit.

Ohne mir Zeit für eine Nachfrage zu geben, machte sich der Klempner an die Arbeit. Er stieg mit seinen verdreckten Stiefeln in meine Wanne und bemängelte zunächst, daß ich kein Sieb über den Abfluß getan hätte. Dann holte er ein langes, weißes Lineal, steckte es in das mittlerweile freigelegte Abflußrohr und zog es wieder hinaus. "47 Zentimeter!" sagte er von einem albernen Nicken unterstützt. "Das wird teuer. Aber das müssen Sie ja nicht zahlen." Während ich ihn fragte, wie teuer es denn genau würde, zündete er sich eine Zigarette an. Dann fragte er, ob er noch einen Kaffee haben dürfte, und sagte: "Mit oder ohne?" Obgleich ich die Frage an dieser Stelle nicht nur reichlich deplaziert fand und sie eigentlich auch gar nicht verstand, sagte ich vorsichtshalber "ohne".

"370", war die trockene Antwort, und nun mußte ich natürlich weiterfragen: "Und mit?" Er lächelte: "Ja, Sie haben es kapiert. Mit: 320!" Schwarzarbeit konnte er nicht gemeint haben, also mußte ich meine Unwissenheit bloßstellen: "Mit was denn eigentlich?" Nun lachte der Monteur, schüttelte seine Haare und begann mit einer Spirale den Pfropfen aus meinem Badewannenabfluss zu holen. "Mann, das stinkt ja bestialisch!" warf er mir brüsk an den Kopf, und: "Hier müssen ja vor Ihnen echte Schweine gewohnt haben!"

Nun wurde es mir zu bunt. Ich stellte ihm seinen zweiten Kaffee hin und verzog mich in mein Arbeitszimmer. Dorthin folgte er mir und stöberte in meinen Aufzeichnungen. "Na, so verdienen Sie Ihren Schotter? Da kenne ich aber auch sinnvollere Beschäftigungen!" Ich fragte, welche denn. "Kaffee kochen, das können Sie echt gut!" Dann teilte er mir zu meiner Überraschung mit, daß er fertig und die Wanne wieder benutzbar sei. Ich fragte ihn nach der Rechnung. "Immer schön langsam!" sagte er- "Was sagt man zuerst?" Ich wußte nicht, was er meinte, und antwortete instinktiv: "Danke?" "Na also, geht doch!" Er schien zufrieden zu sein. "Immerhin ist das ja nicht gerade angenehm, Ihre Haarfussel und Schmutzpartikel aus ´nem Rohr zu ziehen. Das war so ´ne richtige Gülle. Und bitte: Kaufen Sie sich ein Sieb! Sonst komme ich nicht mehr zu Ihnen!"

Es dauerte fast fünf Stunden, bis ich mich von meinem Schock erholt hatte und der Hausverwaltung die Rechnung über DM 566,- zukommen lassen konnte. Der Handwerker sagte: "War doch ein bißchen mehr als erwartet!" und meinte damit wohl, daß er doch den Preis mit einem neuen Abflußrohr berechnen mußte, weil er bei der Reparatur das alte zerstört hatte. Ich mußte über 300 DM Eigenanteil bezahlen und war trotzdem stolz und froh, endlich einmal eigenverantwortlich ein technisches Problem im Haushalt gelöst zu haben. Als nächstes werde ich mich um den Lichtschalter im Wohnzimmer kümmern. Der speit immer so große Funken beim Ausschalten. Also werde ich ab jetzt einfach das Licht dauernd brennen lassen. Ganz eigenverantwortlich!



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