Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er (in diesem Fall allerdings sie) was erzählen. Gast-Mitarbeiterin Lisa Neun hat im Sommer 2000 Finnland bereist und zu ihrem Pech (unserem Glück!) sowohl die Spiegelreflex- als auch die frisch erstandene Digitalkamera daheim vergessen. So mußte sie spontan umdenken, kaufte sich am ersten Reisetag Skizzenblock und einen Bleistift, Stärke 2B. Was sie mit diesen festgehalten hat, können Sie im folgenden bestaunen.

Fünfter Tag, Rovaniemi - beim Weihnachtsmann, und Jouensuu

Nach all den "weltlichen" Erfahrungen, von denen uns Lisa Neuns Reiseskizzen in dieser Woche erzählt haben, wird es Zeit für eine spirituelle Begebenheit. Zugegeben, die Begegnung, von der uns heute Lisas letzter Bericht erzählt, ist die popigste und kommerziellste aller möglichen "geistlichen" Varianten. Aber immerhin ist in drei Tagen... Nichts anmerken lassen. Um die Finweek nicht allzu weihnachtlich ausklingen zu lassen, haben wir für den letzten Tag noch zwei weitere Skizzen ausgesucht. Die eine zeigt eine Stadt mit drei "u", aus dem Land mit den vielen Vokalen und Umlauten im Schriftbild. Und dann abschließend werfen wir noch ein kurzer Blick auf die in Finnland - angeblich - unausweichliche Konfrontation mit Horden von Stechmücken. Aber schauen und lesen Sie selbst! Last not least sei Ihnen noch Lisa Neuns Homepage wärmstens empfohlen (siehe linke Spalte), dort kann man noch viel mehr Bilder ansehen, selbst wenn unsere Finweek nun langsam ausklingt.

"In Rovaniemi soll es gewesen sein, daß finnischen Holzfällern im Winter sehr langweilig war. Sie begannen daher, Weihnachtspost aus aller Welt zu beantworten. Mittlerweile ist Rovaniemi zu internationalem Ruhm gekommen: Gebt in Deutschland einen Brief auf an den Weihnachtsmann, Nordpol, in Amerika an Santa Claus, North oder in Frankreich an Pere Noel, und das Ding kommt in Rovaniemi an, im Dorf des Weihnachtsmannes (siehe Illu). Es ist zwar nicht gesagt, daß der Weihnachtsmann auch Wünsche erfüllt, aber wenn der Brief originell ist, wird er im Weihnachtsdorf ausgestellt. Dort kann man auch mit einer Weihnachtsgrottenbahn fahren, sich mit dem Weihnachtsmann fotografieren lassen und ein kulturelles Crossover von Ami-Kitsch und Nordromantik erleben, witzig. Was man auf jeden Fall in Rovaniemi NICHT versäumen sollte, ist ein Besuch im Arcticum, einem Museum, in dem Besuchern Kultur und Geschichte der arktischen Völker auf wunderschöne Weise näher gebracht wird."
Lisa Neun

"In Jouensuu merkt man deutlich die Nähe zu Russland. Jouensuu liegt ja im Herzen Kareliens und hier gibt`s auch die finnischen Piroggen mit Eibutter. Die werden am Marktplatz live gebacken. Außerdem kommt die Band Eläkeläiset von hier! Jouensuu war übrigens die häßlichste Stadt, die wir in Finnland gesehen haben. Deshalb zeigen wir Ihnen auch nur ein Bild vom Marktplatz (siehe Illu)."
Lisa Neun

"Was schließlich noch interessant war: die Mückenplage – von der wurden wir nämlich verschont. Nur einmal, als wir in einem wirklich schönen Zoo in Ranua waren (den kann man nur wärmstens empfehlen), da haben sie uns überfallen (siehe Illu)."
Lisa Neun

Vierter Tag, Oulu

An diesem Tag verharren wir mit Lisa noch ein wenig in Oulu. Ihre gestrigen Skizzen zeigten Szenen, die sie dort beobachten konnte. Möglicherweise erinnern Sie sich noch an jene mit dem "klebrigen Chinamann". Diese "schlagende" gastronomische Erfahrung führte unsere Finnlandtouristin denn auch zu den Wurzeln einheimischer Ernährungsvorlieben.

"Leider hatten wir einen sehr klebrigen Chinesen aufgesucht... Wir hätten lieber finnisch essen sollen! In Finnland ißt man rohe Erbsen, frisch vom Markt, die besten Erdbeeren der Welt, Piroggen mit Eibutter, kleine Fische mit großen Augen und natürlich Elch (siehe Illu)."
Lisa Neun

Dritter Tag, Rundreise Jyveskylä, Oulu, Rovaniemi, Joensu und Helsinki

Seien wir ehrlich, gestern haben wir ein wenig geflunkert, übertrieben, wie deutsche Privatsender. Nur um Sie dranzuhalten. Klappern gehört zum medialen Handwerk, das lernt man eben als Journalist in diesen Zeiten. Worum es eigentlich geht? Um das Ende der Welt. Gestern hatten wir, vollmundig, wie RTL2, die einzige wahrhaft zeichnerische Erfassung der kulturellen Diaspora versprochen. Dabei kommen die "wahren Skizzen" zu Lisa Neuns Erkundung des Weltendes erst heute.

"Wir hatten uns entschlossen, nach einer Woche "Seele baumeln lassen", eine Rundreise zu machen, bis hin zum nördlichen Polarkreis. Wir wollten den Weihnachtsmann besuchen! Unsere Reise hatten wir bis ins Detail geplant, und uns dann sogar genau an diesen Plan gehalten (siehe Illu). In der Mitte ging es hoch, über Jyveskylä und Oulu nach Rovaniemi und rechts (östlich) wieder runter über Joensu bis nach Helsinki.
Jyveskylä gefällt mir, weil das Flair offen und hell ist, und Alvar Aalto offensichtlich Spuren hinterlassen hat. Weil es mich ein wenig an Erlangen erinnert, und an Linz, weil die Kneipen Titel von Hemingway-Büchern an die Markisen geschrieben haben, und weil ich (siehe Illu) zwei Radler getrunken, das Skizzenbuch gekauft habe - und schließlich weil der Wasserturm aussieht wie ein Pilz. Alvar Aalto ist übrigens ein sehr berühmter finnischer Architekt der Neuzeit.
Ja, und Oulu (siehe Illu) ist auch toll! Es ist eine Stadt, in der sich Altes und Neues ergänzen, und die auch ein Keskouska hat, das nicht künstlich aussieht, sondern natürlich gewachsen, UND es gibt eine schöne Kauppahalli, eine Weltfirma und einen schreienden Männerchor. Beim schreienden Männerchor handelt es sich um Huutajat (und bei der Weltfirma um Nokia)."
Lisa Neun

Zweiter Tag, Finnische Seenplatte

Denkt man an Finnland, dann fallen einem meist nur Helsinki, Sauna, vielleicht noch an Tampere und Turku ein. Aber das alles ist nicht "The real Finnish(ing) Experience". Deshalb machte sich Lisa Neun auf ans "Ende der Welt", in die finnische Provinz – und wir können nun bestaunen, wie es dort aussieht (siehe Illus). Eigentlich, denkt sich der Biertrinker, gar nicht so schlecht. Prost auf Finnisch heißt im übrigen "Kippes".

"Nach kurzem Großstadtschnuppern ging es ab in die Provinz – Finnische Seenplatte. Am Anfang waren wir etwas verwundert. Es war wunderschön, sobald man die Zivilisation hinter sich gelassen hatte und sich an die Seen wagte. Einsame Buchten, wir hatten eine Hütte gemietet. Die lag gleich am Rande eines traumhaften Sees – die Sonne ging um drei Uhr früh unter und zehn Minuten später wieder auf - wir liebten es! Nur unter unserem etwas südlicheren Temperament litten wir, das uns zwingt, belebte Orte aufzusuchen, wo Menschen sind, die trinken, lachen und Musik machen. Das war etwas schwierig. Die Ortschaften in Mittelfinnland sehen alle gleich aus, ob Joutsa, Hartola, Leivomäki oder Sysmä, alle haben im Keskouska (Zentrum) einen Supermarkt, daneben ein Pub bzw. eine Ravintola (Restaurant), eine Apotheke und ein Grilli. Sämtliche Zentren scheinen in den 70ern erbaut worden zu sein – architektonisch beeinflußt von Osteuropa. Und alle sind furchtbar ungemütlich. Dafür bieten die Supermärkte "Stoff", den man nach Hause, in die Einsamkeit der Hütten, mitnehmen kann: Bier und Cider. Härtere Dinge (Wein, Schnaps etc.) gibt’s in separaten Läden. Man geniert sich aber richtig, wenn man da reingeht.
Lisa Neun

Was bisher geschah

Befragt zu den Gründen, warum sie ausgerechnet nach Finnland reisen wollte, erzählte Lisa Neun uns:

"Im Jahre 2000 haben mein Ehemann Mike und ich uns aufgemacht, dieses Land zu bereisen. Schon immer waren wir mehr auf die nördlichen Gebiete unseres europäischen Landes fixiert. Der Süden mit seiner Hektik, Hitze und diesen fürchterlich schnell und viel sprechenden Menschen zog uns von Jahr zu Jahr weniger an - selbstkritisch betrachtet bestimmt auch aus dem Grund, weil wir beide selbst Meister der schnellen Zunge sind. Nun denn, nach reiflicher Überlegung entschlossen wir uns, die stillen Weiten Finnlands zu besuchen."

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, denn die Neuns haben eine handfeste Verbindung zu dem Land, dem wir uns in dieser Woche besonders widmen: "Finnland selbst kannten wir aus eher weniger stillem Grunde. Mike bringt als Besitzer eines Schallplatten-Labels namens Humppa Records einige der interessantesten Bands heraus, die Finnland zur Zeit bieten kann. Wir kannten Finnische Zeitgenossen daher bereits von der Wirkung, die sie auf ihre Zuhörer in Deutschland haben. Und die ist fulminant. Auch wenn sich eine Band kaum bewegt, ja während des Spielens ungerührt pro Bandmitglied eine Flasche Wodka leert, das deutsche Publikum tanzt wild zu der pointierten Musik."

Entsprechend wohl überlegt wählten die beiden denn auch ihre Urlaubsziele aus.

Erster Tag, Helsinki, Club Tavastia

"Unser erster Weg in Helsinki führte uns zum berühmt-berüchtigten Musik Club Tavastia. Kalifornischer Rock war angesagt, Sunshine-Rockabilly – Blumenhemden, Surf-around. Die Band war gut (Amerikaner), sie haben ihr letztes gegeben, geschwitzt, und dem finnischen Publikum hat’s auch wirklich gefallen. Einer hat sogar mit den Zehen gewippt."
Lisa Neun

Erstaunt und sichtlich beeindruckt von diesem skurrilen Szenario griff Lisa zur Feder. Die dabei entstandenen Skizzen (hier geht`s zu den Illus) veranschaulichen wunderbar die kleinen, aber feinen Unterschiede in Sachen Publikumsreaktion auf Rock(und auch andere?)musik, hier bei uns, und "dort oben", im coolen Norden...



Alle 3 Kommentare ansehen

Finlandseite
(Medienterrorist, 17.12.2001 13:59)

Fast getroffen
(Lissu, 30.12.2001 14:25)

Re: Fast getroffen
(Lisa, 07.01.2002 20:11)