Lappen, Trinker, Holz und Mobiltelefone: Helsinki, die nördlichste Hauptstadt Europas, im Porträt von Herbert Hiess.

Helsinki ist eines der Ballungszentren Finnlands, das sich von der Ostsee weit hinauf in den Norden bis Lappland erstreckt. Die Hauptstadt kann durchaus als Großstadt bezeichnet werden; hier gibt es alles, was das (urbane) Herz begehrt - von einem hochmodernen Airport über ein gut ausgebautes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln bis hin zu einer U-Bahn. Natürlich sind auch jene Begleiterscheinungen zu finden, die an allen dichtbevölkerten Örtlichkeiten zu finden sind, wie etwa Obdachlose usw.

Die nördlichste Hauptstadt Europas wird auch liebevoll als "NOKIA-City" bezeichnet. Nokia gibt es seit 1865, die Firma begann seinerzeit mit der Zellstoff- und Papierindustrie. Klar, als eines der waldreichsten Länder ist Finnland mit dem Rohstoff Holz schon überversorgt. Anfang der sechziger Jahre stieg das Unternehmen in die Funktechnologie ein und mauserte sich zum führenden Mobilfunkhersteller der Welt heraus. Nokia stellt nicht nur Handys her, sondern - was sicher viele nicht wissen - ist auch rege an der Entwicklung von Netzwerktechnologien beteiligt. Heute kann man in Helsinki kaum wohin fahren oder gehen, ohne daß man an einem zu Nokia gehörenden Gebäude vorbeikommt. Das Hauptgebäude des High-Tech-Riesen ist ein architektonisches Wunder. Total verglast und direkt an der Ostsee gelegen, macht es schon äußerlich den Eindruck totaler Offenheit. Ein Großteil des Hauptgebäudes ist atriumartig angelegt, was man wunderbar von den Esstischen der Kantine aus sieht.

Die Stadt ist nicht so dicht verbaut, wie man es von anderen Städten gewöhnt ist. Wälder und Ausläufer der Ostsee (die dann wie Teiche oder kleine Seen aussehen), ziehen sich bis ins Zentrum. Bei der Finlandia-Halle (Anm.: dort wurde die OSZE-Konferenz gegründet) ist ein solcher Ausläufer, an dessen Ufern man im Sommer wunderbar joggen und einfach bummeln kann. Die Halle selbst ist ein beliebtes und hochmodernes Veranstaltungszentrum. Die Bühne ist in weiß gehalten und soll den nordischen Winter widerspiegeln. Viele Konzerte werden dort auf höchstem Niveau gegeben, was wiederum die Weltoffenheit und den Kunstverstand des Volkes beweist. Angeblich wurde die jetzige gute Akustik erst nach vielen Umbauten erzielt; so ist z.B. jeder Sitz voll mit Leder gepolstert, was den guten Effekt des vielen Holzes in dem Saal völlig zunichte macht.

Die direkte Lage an der Ostsee verstärkt den internationalen Flair von Helsingfors. Das ist übrigens die schwedische Bezeichnung, die man überall auf den Richtungszeigern lesen kann. In Finnland war bis vor kurzem offiziell die Zweisprachigkeit (Suomi/Schwedisch) definiert. Das merkt man auch an den Namen der dort lebenden Menschen. Einige haben typisch finnische Namen (wie Haukkama), andere wieder schwedische (wie Andersson).

Zurück zur Seelage! Vor allem im Sommer ist der Market-Place ein beliebter Sammelpunkt von Matrosen, Touristen und auch Einheimischen. Große Schiffe verkehren regelmäßig zwischen St. Petersburg, Tallin usw. und Helsinki. Nebenbei bieten viele Ausflugsschiffe interessante Rundfahrten zu den Schären (Anm.: die vielen kleinen Inseln in der Ostsee) oder sogar zu dem netten Zoo. Der Zoo liegt auf einer der kleinen Inseln und kann sogar über eine Brücke mit dem Auto erreicht werden. Natürlich ist aber der Wasserweg der weitaus nettere. Und mit etwas Glück erwischt man sogar einen Raddampfer nach Missisippi-Art.

Hat man genug vom Wasser und den an ihm gelegenen Sehenswürdigkeiten, kann man zurück in die Stadt gehen. Vom Market-Place ist man in wenigen Minuten im Kaufhaus Stockmann. Nicht umsonst wird es als das Harrods des Nordens bezeichnet. Hier bekommt man alles von Austern über Anzüge bis hin zu Waffen und Taucherausrüstungen. In der Lebensmittelabteilung gibt es sogar Bärensuppe oder -schinken, was bei uns sicher den Tierschutz auf den Plan bringen würde. Die Gastronomie der Stadt hat neben dem nationalen einen starken internationalen Touch. Wer gerade keine Lust auf die hervorragenden Rentierfilets oder Elchsteaks hat, kann seinen Appetit bei zahllosen Thailändern, Indern, Japanern oder sogar bei einem Nepalesen stillen. Die Preise sind übrigens für Mitteleuropäer nicht gerade billig - aber immer noch günstiger als in Dänemark oder Norwegen.

Der Sommer ist übrigens die Zeit, die von den Einheimischen am intensivsten genutzt wird. Zur Sommersonnenwende wird es fast nicht dunkel. Auch bei Ankunft am Flughafen um 11h in der Nacht ist es noch so hell wie bei uns um 18.00 Uhr am Abend. Ganz im Gegensatz dazu der Winter, wo es nur wenige Stunden an Tag richtig hell ist. Daher müssen die Leute Licht tanken, um den Winter zu überbrücken. Die "dunkle" Winterzeit zermürbt viele Menschen dort. Finnland steht in Europa an 1. Stelle bei der Selbstmordrate (gefolgt von Ungarn und Österreich).

In Helsinki kann man nebenbei bemerkt auch problemlos ohne Bargeld existieren. In jedem Taxi, in jedem Supermarkt, fast überall werden Kreditkarten akzeptiert. Versucht man in Österreich oder Deutschland in einem Taxi mit Diners zu bezahlen, wird man böse oder dumm angeschaut.

Die Menschen in Helsinki sind überdurchschnittlich gebildet und weltoffen. So ist beispielsweise das Englisch-Niveau gar nicht mit dem in Österreich zu vergleichen. Grund mag natürlich mit die Begrenztheit der eigenen Landessprache (Suomi) sein. Die Sprache, die einige Gemeinsamkeiten mit ungarisch hat, ist selbst für den sprachbegabten Ausländer der totale Hammer. Dafür kann fast jeder dort ausgezeichnet Englisch. In jedem Geschäft oder Supermarkt kann man problemlos in Englisch kommunizieren. Die Leute sind an ihren Arbeitsplätzen locker gekleidet, aber sehr "tough" bei ihrer Arbeit. Hier zählt die Leistung und nicht, ob man ein anzugbehangener Pappkamerad oder eine kostümbehangene Tussi ist. Übrigens sind (vor allem bei Nokia) überdurchschnittlich viele Frauen in Führungspositionen.



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