Glenn-Miller-Bands und Tanz-Events, Oldtime-Fans und Retrotrends: Was in den 30er Jahren mit Count Basie und Duke Ellington begonnen hat, ist in Wien auch 2001 noch zu hören. Die Zukunft des Swing ist indes ungewiß. Kommt die erhoffte Renaissance oder endet der Musikstil im Altersheim? Christoph Irrgeher hat sich in der heimischen Swing-Szene umgesehen.

Die Anwesenden staunen nicht schlecht: Da springt dieses junge Pärchen plötzlich auf, bezieht im Niemandsland zwischen Publikum und Bühne Position und beginnt federnden Schritts zur Musik der Vienna City Ramblers zu tanzen. Noch verwunderlicher als ihr Alleingang wirkt jedoch der Tanz selbst. Denn was die beiden dem verblüfften Publikum vorführen, kennt in unseren Breiten fast nur der Spezialist: Es ist der "Lindy Hop", der untrennbar mit den 30er und 40er Jahren, der goldenen Ära des Swing, verknüpft ist.

Die etwas in die Jahre gekommene Swingband scheint der neue Blickfang nicht zu stören. Sänger Ernst Schuller, eben noch nach dem Alter seiner Fans befragt, blickt nun mit einem geradezu triumphierenden Grinser ins Publikum herab. Seine City Ramblers spielen Standard um Standard, und mit den fröhlich tanzenden "Swingkids" erhält das Konzert im Davis einen beinahe generationsübergreifenden Charakter.

Ihrer Strahlkraft scheinen sich Tom und Anna jedoch nicht bewußt. Vielmehr hatte das US-Pärchen vor seiner Weiterreise nach Ungarn nur eine Möglichkeit zum Swing-Tanz gesucht und war deshalb im etwas entlegenen Davis eingekehrt. Im Gegensatz zu ihrer Heimat müssen die beiden hier mit einem eher beschaulichen Angebot für Swingfans vorlieb nehmen: Denn während in den USA vor einigen Jahren eine großangelegte Retrowelle Big-Band-Sound und Lindy Hop wieder hochspülte, ist in Österreich davon bislang wenig zu spüren.

Doch an einer Verbesserung der Situation wird gearbeitet - allen voran von Christoph Neuer, der sich als Veranstalter seit 1998 für den Swing engagiert. Nachdem der gelernte Textilkaufmann im Vorjahr seine eigene Big Band, das Excelsior Ballroom Orchestra, ins Leben rief, lädt er regelmäßig zum "Fünf-Uhr-Tanztee" im Parkhotel Schönbrunn. Über Besucherarmut kann man dort nicht klagen: Die Grundidee, Tanzfreunde in edlem Ambiente an den Swing heranzuführen, beschert den Events ein dauerhaft volles Haus.

Bei seinen Veranstaltungen ist dem Event-Manager neben der Professionalität vor allem ein "hochwertiger Touch" wichtig. Da die meisten hiesigen Spielstätten laut Neuer diesbezüglich nicht unbedingt glänzten, wäre das Publikumsinteresse bislang unverändert geblieben. Ein wichtiges Anliegen ist ihm darüber hinaus die Vermittlung eines authentischen Feelings, denn "zum Swing gehört auch der Lifestyle". Anstatt sich bei Konzerten mit der Reproduktion antiker Big-Band-Arrangements zu begnügen, zielt Neuer auf ein Gesamtkonzept, mit dem er sich selber in einer Schlüsselposition wähnt: "Das Komplettprogramm mußt du suchen, da sind wir europaweit am nächsten dran." Da der Bedarf für jene Acts aber erst geweckt werden müsse, sei man immer noch im "Wachrüttelstadium".

Für den Erfolg der Tanztees sieht Roland Guido Steiner, musikalischer Leiter des Excelsior Ballroom Orchestra, mehrere Ursachen: Während er dem Publikum einerseits nostalgische Sehnsüchte attestiert, wertet er den Massenzustrom andererseits als Aufkeimen eines neuen Bedürfnisses nach "akustisch lebendiger Musik". Es sei ein "Zurückfinden ins Entertainment", das sich mittlerweile als Gegenpol zum modernen Konserven-Pop abzeichne. Stolz ist Steiner vor allem auf das jüngere Swing-Publikum, das über den Tanz hinzugekommen wäre. Aufgrund mangelnder Berichterstattung in den Medien sei die Musik hier für viele eine richtige "Neuentdeckung".

Als Protagonist von Retrobewegungen ist Steiner, der seine Big Band stilsicher in überweitem Anzug und zweifarbigem Schuhwerk leitet, seit vielen Jahren aktiv. Bereits 1989 hatte er mit den Jive Giants eine Swing- und R´n´B-Gruppe ins Leben gerufen; mit der Gründung der Uptown Swingsters wagte er sich in den 90ern an eine größere Formation. Nachdem der Swing-Enthusiast beide Projekte ad acta legte, ist er musikalisch zur Zeit größtenteils im Excelsior Ballroom Orchestra tätig, für das er Arrangements beisteuert.



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