Das Videolabel Icestorm vermarktet seit kurzem weltweit klassische Filmproduktionen der DEFA-Studios. Auch wenn uns die transportierte Botschaft aus heutiger Sicht zum Schmunzeln bringen mag - in den 50er Jahren konnte "Der schweigende Stern" durchaus mit amerikanischen Edelproduktionen konkurrieren. Christian Haderer berichtet über Science Fiction aus Ostdeutschland.

Der Plot des DDR-SF-Films "Der schweigende Stern" ist schnell erzählt: Bei Grabungsarbeiten für ein Klimakontrolle-Projekt wird ein Artefakt gefunden, das nicht von der Erde stammt. Es scheint Aufzeichnungen in einer fremden Sprache zu enthalten und von der Venus zu stammen. Um Licht ins außerirdische Dunkel zu bringen, stellt die sowjetische Regierung die soeben fertiggestellte (und eigentlich für einen Flug zum Mars gedachte) Rakete KOSMOKRATOR 1 der "Internationalen Föderation für Raumforschung" für eine Venusmission zur Verfügung.

Der Weg zum heißen Planeten ist für das bunt zusammengewürfelte Team allerdings recht steinig, denn schon auf halber Strecke gerät man in einen Meteoritenschauer (eine offenbar recht beliebte Ablenkung, siehe auch Brian De Palmas "Mission to Mars") und macht sodann eine bedrohliche Entdeckung. Gemäß den entschlüsselten Aufzeichnungen des Artefakts hegen die Venusbewohner aggressive Absichten gegen die friedliebenden Menschen. Der KOSMOKRATOR erreicht die Venus und findet sie verlassen vor - lediglich Teile einer gegen die Erde gerichteten Vernichtungsmaschinerie, die durch einen Defekt die Einheimischen auslöschte, sind noch aktiv. Die Botschaft, die von der zutiefst betroffenen Besatzung zur Erde (und ins Kino) mitgebracht wird: Von der Venus droht keine Gefahr, sie ist ein hübscher Morgen- und Abendstern - aber das Atom wird uns alle noch umbringen, wenn wir nicht endlich damit aufhören, es in Bomben reinzutun. Ad astra!

Mit diesem Streifen brachten die ostdeutschen DEFA-Studios im Jahr 1959 den ersten von drei Science-Fiction-Filmen ins Kino, die in gewisser Hinsicht Kultstatus genießen. "Der schweigende Stern" wurde nach dem Roman "Astronauten" des polnischen SF-Philosophen Stanislaw Lem gedreht und unter dem Titel "Raumschiff Venus antwortet nicht" uraufgeführt. Die deutsch-polnische Koproduktion hatte eine Originallänge von knapp 130 Minuten - die von Icestorm veröffentlichte DVD-Fassung ist jedoch nur knapp 95 Minuten lang, was diverse Unstimmigkeiten in der Handlung erklärt (Vor- und Beziehungsgeschichten, diverse Abenteuer auf der Venus etc.). In den USA lief "Der schweigende Stern" in einer Länge von 83 Minuten unter verschiedenen Titeln, wie etwa "Planet of the Dead" (1959), "Silent Star" (1959), "Spaceship Venus Does Not Reply" (1959) und "First Spaceship on Venus" (1962).

Trotz aller Kürzungen und der moralisierenden Botschaft ist Regisseur Kurt Maetzig ein SF-Werk gelungen, das durchaus mit den amerikanischen Klassikern seiner Ära mithalten kann (beispielsweise mit "Metaluna 4 antwortet nicht" oder "Alarm im Weltall") - was nicht zuletzt an den gelungenen Tricks und der für DDR-Verhältnisse fast schon verschwenderischen Ausstattung liegt. (Um es auf den Punkt zu bringen: Die Special-effects der etwas später gedrehten westdeutschen TV-Serie "Raumschiff Orion" - siehe Story im Trash-Museum - mit Dietmar Schönherr sind um Klassen schlechter). Die Story mag zwar auf den ersten Blick etwas dünn erscheinen - und aus heutiger Sicht gar nicht mehr originell -, dennoch ist "Der schweigende Stern" ein charmanter Film; eine Art von B-Movie mit großem Budget, das seinen Platz nicht nur im Sonntagnachmittagsprogramm hat, wenn anständige Menschen gerade mit einem gerüttelt Maß Lexotanil gegen ihre Depressionen ankämpfen.

Übrigens mochte selbst die "Süddeutsche Zeitung" den Streifen. Anläßlich des neunzigsten Geburtstags des Produzenten Hans Mahlich im vergangenen Jänner schrieb das Rennomierblatt: "Einer der Momente, da offensichtlich selbst die DEFA delirierte. Das war im Jahr 1959, ein Weltraumspektakel nach Stanislaw Lem, in dem die psychedelischen Farben und Figuren den ganzen völker- und galaxienversöhnenden Gestus völlig vergessen lassen. Ein Film, der selbst 'Godzilla'-Schöpfer Ishiro Honda normal aussehen ließ."

Die DEFA galt seit den späten 40er Jahren als Inbegriff des DDR-Films. Im Jahr 1946 gegründet, produzierte die "Deutsche Filmaktiengesellschaft" in den ersten vier Jahren ihres Bestehens eine Reihe von Filmen, die verblüffend frei von politischen Ideologien waren. Erst als Anfang der Fünfziger eine Abteilung des sowjetischen Zentralkomitees mit der Prüfung von Drehbüchern auf ihre ideologische "Reinheit" begann und in den Augen der Sowjetbehörden "zweifelhafte" Produktionen stoppen ließ, begann die ostdeutsche Filmgesellschaft ihre Talfahrt. "Bourgeoise" Helden waren nicht mehr gefragt, anstelle der Lebensgeschichte von Doktor Röntgen wurde - streng nach dem Dogma des "sozialistischen Realismus" - der Alltag des kommunistischen Arbeiters gefeiert.

Das konnte nicht wirklich gutgehen: Im Jahr 1949 brachte die DEFA noch zwölf Produktionen in die Kinos; 1951 waren es acht, 1952 gar nur noch sechs. Erst Mitte der 50er Jahre, kurz nach Stalins Tod und Nikita Chruschtschows Anti-Stalin-Rede im Rahmen der 20. Partei-Konferenz (1956) konnte die DEFA wieder "frei" produzieren - wenngleich nicht völlig unbeleckt von der realsozialistischen Ideologie, die gern als betont offene und freie Einstellung in die Welt hinausgeschickt wurde.



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