Meilensteine wie "Blue Train" von John Coltrane oder "Birth of the Cool" von Miles Davis waren einst die Aushängeschilder des Jazz-Labels Blue Note. Den aktuellen Trend zum innovativen Umgang mit Jazz ignorierend, ergehen sich die aktuellen Betreiber des legendären Unternehmens jedoch in hemmungsloser Nabelschau. Michael Lachsteiner hat dagegen einige Einwände.

Das Label mit der großen Geschichte und einem der beeindruckendsten Back-Kataloge in der gesamten Popkultur kann seit einiger Zeit wieder das verzeichnen, was ihm lange Zeit schmerzlich fehlte - Erfolg. Mit Acts wie US3 in den späten Achtzigern und St. Germain in den Nineties blieben allerdings exakt die Dinge aus, die den Labelgründern Alfred Lion und Francis Wolff einst so wichtig waren: virtuosen Künstlern, die ihrer Zeit voraus waren, ein Forum zu geben.

Kurz nach der Veröffentlichung der allerersten Blue-Note-Single (Albert Ammons und Meady Lex Lewis, 1939), erklärten die Labelbetreiber in einer Broschüre ihre Intentionen: "Guter Jazz ist zugleich Ausdruck und Kommunikation, eine musikalische wie soziale Manifestation, und BLUE NOTE Records soll dazu bestimmt sein, diese Impulse gegen kommerzielle oder sensationelle Aspekte zu betreiben."

In den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es für visionäre Musik außer der Avantgarde nur einen Begriff: Jazz. Als 1953 der geniale Toningenieur Rudy van Gelder und wenig später der ambitionierte Graphiker Reid Miles zum Label stießen, ergab sich ein Gespann, das Blue Note unverwechselbar machen sollte. Der typische Blue-Note-Sound, die legendären Plattencover und die penible Auswahl der Künstler schufen eine Legende, die heute noch immer - und völlig zu Recht - Bestand hat.

1967 begann schließlich die Auflösung der kreativen Zelle um Alfred Lion, die mit Künstlern wie Ike Quebec, Thelonious Monk, Miles Davis, John Coltrane, Bud Powell, Lou Donaldson, Horace Silver, Donald Byrd, Herbie Hancock, Wayne Shorter, Grant Green und vielen anderen einen mehr als beeindruckenden Artist-Roster zu bieten hatte. Lion verließ das Label, Reid Miles beendete seine Tätigkeit als Graphiker; 1971 starb schließlich Francis Wolff. Die große Zeit war vorbei - und nach der Übernahme durch Capitol Records wurde das systematische Ausschlachten des Archivs begonnen, das bis heute anhält.



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