Viennale-Tips von Stefan Grissemann (DIE PRESSE)

The God of Day Had Gone Down Upon Him
(Stan Brakhage, USA 2000)
Das Ein-Mann-Kino des US-Avantgarde-Veteranen Stan Brakhage, unabhängig in jedem Sinn des Wortes, ist auf hohe Budgets so wenig angewiesen wie auf Einspielergebnisse. Brakhages jüngster Film, die eindringliche Naturstudie "The God of Day Had Gone Down Upon Us", benötigt keinen Ton, um seine immense sinnliche Wirkung zu entfalten: ein in behender, sprunghafter Montage entfaltetes Gedicht an jene visuellen Spektakel, die in Licht und Wasser, Bäumen und Blättern, den Bewegungen der Wellen und der Wolken liegen. Brakhage malt mit gestischer Kamera, läßt das Land und das Meer in Unschärfe verfließen, in Farbflecken zerfallen: knappe sechzig Minuten halb-abstrakter Kinowundermalerei.

Huayang nianhua/In the Mood For Love
(Wong Kar-wai, Hongkong 2000)
Wong Kar-wai gehört zu jenen Filmemachern, die ihren Anbetern immer einen Schritt voraus sind. "In the Mood for Love" gönnt sich weder die neon-giftigen Kamera-Eskapaden von "Chungking Express" noch die exotischen Liebesexzesse von "Happy Together". In seinem neuen Epos greift Wong einerseits auf die subtile Ausstattungslust seines Frühwerks "Days of Being Wild" zurück, die er andererseits in Erzählung und Inszenierung weiter verfeinert: Die Romanze, die hier ungeahnt aus dem Unglück zweier betrogener Nachbarn (Maggie Cheung und Tony Leung) wächst, kleidet Wong in exquisite Erinnerungsbilder und kostbar stilisierte Nostalgie, die das Hongkong der sechziger Jahre als trauriges, einsames Chanson neu träumen.

Manila
(Romuald Karmakar, D 2000)
Am Flughafen von Manila sieht sich eine deutsche Reisegruppe gezwungen, viele Stunden überflüssiger Zeit totzuschlagen. Die Sextouristen reichen ihre Urlaubsphotos herum, die Bildungsbürger mühen sich ab, "Niveau" zu halten, und die Flugleitung versucht, mit dem Edgar-Wallace-Komödianten Eddi Arent zwischendurch bizarres Entertainment anzubieten. Der junge Filmemacher Romuald Karmakar, gegenwärtig einer der spannendsten Deutschlands, läßt Politik und Freizeit, Ideologie und Smalltalk genußvoll verrinnen, mischt deutschen Selbsthaß mit deutscher Ungemütlichkeit, bis die Gruppendynamik für ein orgiastisches Finale sorgt, das alle Differenzen in Hysterie und Bierseligkeit sprengt. Eine zeitlich und räumlich limitierte, gedanklich praktisch unbeschränkte und jederzeit überraschende Tragikomödie, getragen von famosen Performances (Manfred Zapatka, Margit Carstensen, Jürgen Vogel und Sky Dumont) und einem überreichen Drehbuch.



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