Viennale-Tips von Peter Krobath (SKIP, WIENERIN)

Animal Factory
Edward Bunker hat die meiste Zeit seines Lebens im Gefängnis verbracht. "Animal Factory" ist seine Geschichte, die Geschichte eines älteren Häftlings (Willem Dafoe), der einem jungen Neuzugang (Edward Furlong) die Regeln hinter Gittern beibringt. Steve Buscemi hat Bunkers Buch genau gelesen und einen großartigen Film daraus gemacht - eben weil er allen Klischeefallen des Zuchthausdramas ausweicht und ohne Action vom Streß erzählt, der aufkommt, wenn man Menschen wie Ratten hält. Dazu gibt es einen genialen Mickey Rourke, der nur zwei winzige Auftritte braucht, um zu beweisen, daß ihn das offizielle Hollywood wohl doch etwas zu früh abgeschrieben hat. Übrigens: Der Autor taucht im Film auch selbst auf. Können Sie sich noch erinnern, wer in "Reservoir Dogs" den Mr. Blue gespielt hat? Das war Edward Bunker. Viel Spaß beim Suchrätsel.

Der Boxprinz
Tschuldigung, ich weiß nicht, wer Norbert Grupe ist. Aber ich weiß, wer Norbert Grupe war, zum Beispiel damals am 19. 11. 1966, als er in der Berliner Deutschlandhalle vor 12.000 Zuschauern auf die Knie fiel und mit zum Gebet gefalteten Händen um ein gerechtes Urteil bat, weil ihn die Ringrichter um den Titel eines Europameisters betrogen hatten. Wenn Boxen Poesie ist, dann war dieser Mann ein Dichter, ein Gladiator, der mit wenigen großen Gesten alle Schlägereien, Randale, Exzesse und Skandale zunichte machte, die später, vorher oder mittendrin zu Buche standen. Heute soll Norbert Gruppe in Hollywood leben. Aber das weiß ich nicht. Ich werde es aus diesem Film erfahren.

The Opportunists
Ein Safeknacker will ein ehrliches Leben führen - allein, die Umstände sprechen dagegen. Ich weiß nichts über diesen Film, auch vom Regisseur (Myles Connell) habe ich noch nie was gehört, aber wenn Christopher Walken mitspielt, würde ich mir sogar "Taxi Orange" anschauen.

Les destinées sentimentales
Olivier Assayas macht Filme, die wie Pop-Songs sind, selbst wenn sie - wie hier - zum Genre des Kostümfilms gehören. Die Kinoversion des gleichnamigen Romans von Jacques Chardonne (kennt in Frankreich angeblich jedes bessere Schulkind) erzählt die Geschichte einer Porzellan-Dynastie in Limoges, vom Anfang des letzten Jahrhunderts bis in die dreißiger Jahre. Schön, doch warum Pop-Song? Darum: "Les destinées sentimentales" ist ein Film, der mit breiter Pracht auf das Intime setzt. Jede Geste hat genügend Platz, aber schon vom ersten Weltkrieg zeigt Assayas trotz Überlänge von drei Stunden nur eine Begrüßungsszene am Zug, ein paar Uniformen und eine flüchtige Begegnung im Pensionszimmer, und das ist richtig so - denn später in der Erinnerung (wie auch in der Musik) werden doch nur die Momente der Liebe wichtig sein, während alles andere verblaßt und kaum noch zählt.



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