"Taxi Orange", der große Bruder im Container und "Robinson" waren erst der Anfang. Im neuen Sendeformat "Popstars" werden junge Mädchen auf der Suche nach ein bißchen Berühmtheit vorsätzlich gedemütigt. Sowas muß einfach gut ankommen. Benny Denes warnt trotzdem vor allzugroßer Affirmation.

Wie schön für den Bertelsmann-Konzern, daß der legitime Nachfolger von "Big Brother" wiederum auf RTL 2 die Quoten hochtreibt. Sie müssen sich nicht wundern - die Sendung mit dem Käfig läuft noch; die zweite Staffel muß zwar mit Zuschauerverlusten leben, bedeutet aber für die Kölner Medienmaschine immer noch ein Plusgeschäft, und zwar ein saftiges. Das öffentliche Interesse, das in Deutschland noch vor fünf Jahren einer neuen "Tatort"-Folge oder der aktuellen Sendung von "Wetten, daß...?" gehörte, ist allerdings auf eine Sendung umgeschwenkt, die äußerlich anders scheint als die Container- Berichterstattung, innerlich (vor dem Wort "inhaltlich" schreckt man eher zurück) aber die seelische Pornographie auf ein Maximum treibt, dessen Wirkung auf dem schmalen Grat zwischen Belustigung und Steinigen verläuft. Die Rede ist von "Popstars", jeden Dienstag abend ab viertelzehn auf RTL 2 zu sehen.

Möglicherweise kennen Sie das neue Sendeformat noch nicht, aber sein Prinzip ist schnell erklärt: In einer aufwendigen Vorproduktion inszenierte der Sender Castings in verschiedenen deutschen Großstädten, bei denen jeweils an die 500 Mädchen an einem Vorsingen zur Selektion von Teilnehmerinnen für eine noch zu gründende Girlgroup teilnahmen. Die dreiköpfige Jury, bestehend aus einem Tourmanager, einem Senior A&R- Manager und Simone Angel als Simone Angel berät, kommentiert und entscheidet über die dargebotenen Gesangsleistungen. Zwischendrin werden in schnellen Schnitten Impressionen von den Mädels gezeigt, die mit ihrem Erscheinen die Frage "Willst du Popstar werden?" bejaht haben. In Hamburg, Berlin, Köln, Frankfurt, Leipzig, Stuttgart und München treten in Clubs und Tagungssälen von Hotels Freiwillige auf, die zunächst ihr Lieblingslied singen sollen, um dann in einem Ausschlußverfahren dezimiert zu werden.

Die ersten Folgen dieses Formats, das schon in Australien, den Niederlanden und in den USA große Quotenerfolge erzielte, waren für eine bestimmte Gruppe von Zusehern sicherlich die interessantesten - nämlich für jene Leute, die sich über die Unfähigkeit eines Großteils der Kandidatinnen, eine eigenständige und vor allem halbwegs erträgliche Gesangsdarbietung zu bringen, köstlich amüsieren können. Inzwischen kann man nur noch das verbliebene Zehntel der Mädchen bewundern, unter denen sich aber immer noch einige befinden, die - weil sie nur aufgrund ihrer "Performance" im Rennen geblieben sind - mit grauenvollen Stimmen als eigentliche Popstars die Sendung bereichern. Die andere große Zuschauerkategorie sind die verführten Ahnungslosen, die per Harmonisierung an den direkten Weg zum großen Glück glauben. Unter diesen dürften nicht wenige Mädels sein, die selbst auch ganz gern teilgenommen hätten, sich aber (zu ihrem und unserem Glück) nicht getraut haben. Und schließlich gibt es noch einige, die "Popstars" als Masturbationsvorlage nutzen, denn selbstredend - als sei´s ein Stück von RTL 2 - ist hier auch jede Menge blutjunger nackter Haut zu sehen.

Es wäre heuchlerisch zu behaupten, daß die Sendung nicht unterhaltsam ist. Natürlich ist sie das, und ihr Reiz wird auch nicht von der Stumpfheit des Kommentators abgetötet, der im Stil unfähiger Boulevard-Journalisten (Marke "Die Reportage" oder "Die Redaktion") versucht, dem Treiben eine ernste Note zu geben. Die Sendung produziert tatsächlich, wie es ihr Titel verspricht, Popstars - in der ganzen Bandbreite der Konnotation, die diese Bezeichnung inzwischen hat. Luftleere und Belanglose, die sich aggressiv ihr Stückchen vom Ruhm nehmen, sich anbiedern und prostituieren, ohne auch nur einen Pfennig dafür zu bekommen. Die Branche wird neidisch zum Proletensender hinüberschauen, ist es ihm doch mit "Popstars" gelungen, Scharen potentieller Vakuum-Stars mit einem Minimum an Kosten zu locken und auf eine ebenso einfache Weise darzustellen.



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