Fortsetzung...

Die Quoten geben dem Sendeformat Recht, die vergleichsweise niedrigen Produktionskosten lassen den Programmchef jubeln: Wir können uns auf eine neue Welle seelischer Vergewaltigungen einstellen. Wieder greift das Fahrradprinzip, welches das wichtigste mediale Gesellschaftsphänomen unserer Tage zu sein scheint: nach oben buckeln und nach unten treten! Die Zuschauer fühlen sich wohl dabei, auf der Plüschgarnitur zu sitzen und absolut unbegabte Mädchen scheitern zu sehen, die unter einem übersteigerten Selbstbewußtsein leiden. Wenn die Jury wieder einmal ein Mädchen, das einen Text nicht behalten konnte, mit den Worten "Man muß hart arbeiten, um Popstar zu werden. Das kannst du scheinbar nicht!" anfährt, wenn Mädchen vor laufender Kamera als "figürlich für eine Girlgroup nicht geeignet" bezeichnet werden und dann spätestens im Warteraum unter Tränen zusammenbrechen, fühlt sich der Zuschauer berührt. Ganz ehrlich, wo gibt es das heutzutage noch zu sehen: Heldinnen, echte Tränen, Wutausbrüche, Penetrationen, Erfolg und Scheitern?

Schön komprimiert und leicht verdaulich aufbereitet, bietet "Popstars" die klassischen Elemente des tragischen Epos. Auch wenn der Vergleich mit der "Divina Commedia" etwas zu weit gehen würde, kann man durchaus erkennen, welche Brutalität die Fernsehproduzenten an den Tag legen müssen, um klassische Szenen noch attraktiver zu machen. Brutal ist "Popstars" nämlich - nicht etwa, weil dort eines der Mädchen geschlagen würde, und auch nicht wegen der Jury, in der sich drei Menschen befinden, die keineswegs zu den wirklichen Musikkennern im Lande gehören. Das Grausame ist die Schamlosigkeit, mit der die unverantwortlichen Macher dieser Sendung im Grunde unmündige Teenager und Twens lächerlich machen. Wie hier auf Kosten von überwiegend sehr einfachen Menschen Quotenerfolge erzielt werden, ist menschenunwürdig, beschämend und hochgradig unmoralisch. Den Machern werden diese Kriterien egal sein; sie würden sagen, daß das veraltete Wertvorstellungen seien, wenn sie diese überhaupt noch kennen. Aber ganz sicher würden sie behaupten: Die Mädchen kommen doch freiwillig, und sie haben eine echte Chance! Die Chance ist etwa eins zu tausend, das wissen die Macher, das wissen vielleicht auch die Mädchen, aber das wissen vor allem die Zuschauer. Und auf die kommt es an. Man kann davon ausgehen, daß das Millionenpublikum nicht wegen einer fünfzehnfachen Wiederholung des Refrains von "Lucky" (B. Spears) einschaltet, sondern wegen der Blackouts, der buchstäblichen Ungereimtheiten und der schiefen Töne.

Wer so etwas produziert, ausstrahlt und damit auch noch Geld verdient, ist armselig. Wer so etwas finanziert und davon profitiert, wie die immer noch auf Imagebildung versessene Klamottenkette New Yorker, macht sich mitschuldig. Wer sich aber "Popstars" anschaut, sollte einmal seinen Zeigefinger beim Lästern betrachten und sich überlegen, was mit ihm gerade geschieht.



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