Kleiner Beitrag zum Thema "Ethik im Journalismus" (vergl. "Der Standard", 14. 11. 2000, Seite 5, Kasten unten) sowie eine weiterführende Überlegung zur Theorie von der Arroganz der Überlebenden. Oder auch: kleiner Exkurs zur freien Marktwirtschaft, Kapitel Angebot & Nachfrage. Von Sylvia Treudl.

Mir is so fad. Es ist so ein fades Leben, ohne Pep, ohne Kick, ohne Action. Jeder Event irgendwie so schlapp, war irgendwie schon alles.
Und alles schon ausprobiert - Mountainbiken am Mont Blanc und Rafting in den Niagaras, Bungee-Jumping mit einem Spitzenpolitiker, Surfen auf dem weißen Hai.
"Experiment Robinson" is so fad wie "Big Brother", die ficken eh nicht wirklich vor der Kamera, nur wenn sie per Quote halt müssen, und in die Goschn hau´n sie sich auch nur, wenn´s der Regisseur verlangt. Echt schlaff. Die neuen Filme sind auch alle so fad. Special effects zum Gähnen, is ja was für´n Kindergarten. Es is echt fad.
Und dann tut sich endlich was! Endlich was zum Hinschaun, zum Feeling-Kriegen fürs Makabre, und auch noch hier, in dem faden Land, direkt vor der Haustür und echt live - und dann kommen die Moralapostel und stellen sich davor hin und kriegen den Moralischen. Ich mein, is eh alles zu spät und der Zuschauer hat sein Recht auf Information, auf umfassende, bis ins letzte Detail gehende, schließlich zahlt man ja dafür.
Und wenn man sich vorstellt, man hätt´ selber dabei sein können und hat dem Schicksal oder sonst einem faden Scheiß die lange Nase gedreht, das is irgendwie cool - und ich möchte genau wissen, was mir da nicht passiert is, weil ich halt nicht auf dem faden Berg war in der depperten Bahn. Und dann bringen die Arschlöcher die echt geilen Bilder nicht und halten taffe Journalisten von ihrer Arbeit ab - das ist eine Frechheit, das ist eine eindeutige Einschränkung der Medienfreiheit, der Informationsfreiheit, wo eh alles so fad is, was sonst über die Glotze flimmert, wen interessiert denn der fade Schmarrn aus dem Parlament oder ob sich die Emanzen wieder über irgendwas aufregen?! Man sollte sich beschweren über die Verhinderer von echter Medienpolitk. Ich meine, das ist doch was, das die Leute wirklich was angeht, ich will das sehen, was heißt hier Pietät - die Kriegsberichterstatter waren schon immer die wahren Helden.
Ich will dabei sein, wenn sich die Typen vom Katastropheneinsatz ankotzen, weil sie mit der Trennscheibe verschmurgelte Leichenteile aus´m verschmolzenen Metall säbeln müssen, ich will das genau sehen, wie eine echte, eine wirkliche Zerstörung ausschaut. Wann kriegt denn unsere Generation hier schon so eine Chance, so live? Ich will dabei sein, wenn verkohlte Klumpen Mensch in die Hubschrauber geschlichtet werden, und vielleicht stürzt das Ding ab, Gesetz der Serie, und die Serie mit den Helikopterdocs is eh fad. Hinein will ich in den Stollen, in den Tunnel, unter die Schneemassen, in die Wasserstrudel, ins flammende Inferno, ins zerstörte Metall, und die Kamera ist mein Auge, der Kameramann ist mein Mann, auf den ich mich verlasse. Ich will das sehen, wie die Gerichtsmediziner grün im Gesicht werden, weil sie gar nicht genau wissen, was sie da auf´m Seziertisch haben. Und ich will echte Emotionen sehen, von denen, die es grad noch derpackt haben, von Angehörigen derjenigen, die´s nicht geschafft haben, ich will wirkliches Grauen, Nervenzusammenbrüche, Ausflippen zum Knabbergebäck, nicht den faden Hollywoodscheiß.
Oder sie sollen sich bei "Robinson", "Big Brother" und "Taxi Orange" was einfallen lassen, was Echtes, was Härteres - alles andere is fad.



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